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Ripley Under Water

Ripley Under Water

Titel: Ripley Under Water Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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»Sicher nicht viel, Süße. Ja, habe mich geschnitten, am Finger. Nur ein Kratzer. Bin irgendwo gegengestoßen.« Was stimmte. Er streckte ihr die Rechte entgegen, den Handteller nach unten. »Eine Kleinigkeit. Aber ich wollte die Flecken weghaben.«
    »Ach, die sind kaum zu sehen«, sagte sie ernsthaft. »Doch wie ist das passiert?«
    Tom war schon im Taxi klargeworden, daß er Héloïse einiges würde erklären müssen, weil er ihr vorschlagen wollte, bis morgen mittag abzureisen oder sogar vorher noch. »Na ja, chérie …« Er suchte nach Worten.
    »Du hast diesen –«
    »Pritchard gesehen«, ergänzte er für sie. »Ja. Wir sind ein bißchen aneinandergeraten. Haben uns geprügelt – vor einem Teehaus, einem Café. Er hat mich so gereizt, daß ich ihn geschlagen habe. Ins Gesicht. Aber schlimm verletzt ist er nicht.« Sie wartete, ob noch mehr kommen würde, wie sie das so oft schon getan hatte. Selten waren sie zusammen, wenn so etwas geschah, und er war nicht daran gewöhnt, sie einzuweihen, jedenfalls nicht mehr als unbedingt nötig.
    »Na gut, Tomme. Du hast ihn irgendwo aufgespürt, ja?«
    »Er wohnt in einem Hotel in der Nähe. Und seine Frau ist nicht bei ihm, obwohl er das behauptete, als ich ihn unten in der Bar traf. Vermutlich ist sie in Villeperce. Da frage ich mich doch, was sie dort treibt.« Er dachte an Belle Ombre: Für ihn war eine Frau, die ums Haus schlich, unheimlicher als ein Mann – schon deshalb, weil die Leute sie nicht ohne weiteres zur Rede stellen würden.
    »Aber was ist los mit diesem Prichard?«
    »Liebes, ich sagte doch schon, das sind Irre. Des fous. Soll uns nicht den Urlaub verderben. Du hast ja Noëlle. Dieser widerliche Typ will mich ärgern, nicht dich, da bin ich sicher.« Tom fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, ging zum Bett, setzte sich und zog Strümpfe und Schuhe an. Er wollte zurück nach Belle Ombre, um dort die Lage zu peilen, und dann weiter nach London. Schnell band er die Schnürsenkel zu.
    »Wo war dieser Kampf? Um was ging es?«
    Stumm schüttelte er den Kopf.
    »Blutet dein Finger noch?«
    Tom sah hin: »Nein.«
    Héloïse ging ins Bad und kam mit einem Pflaster zurück, zog den Plastikstreifen ab, damit sie es aufkleben konnte. Gleich darauf war die kleine Wunde verbunden, und Tom ging es besser – wenigstens würde er keine Spur hinterlassen, nicht einmal einen ganz schwachen, verwischten, hellroten Fleck irgendwo.
    »Woran denkst du?« fragte sie.
    Er sah auf seine Uhr. »Sind wir nicht unten mit Noëlle verabredet?«
    »Ja«, sagte sie gelassen.
    Tom steckte die Brieftasche in die Innentasche seines Jacketts. »Bei dem Kampf bin ich Sieger geblieben.« Er stellte sich Pritchard vor: Heute abend würde der Kerl sich im Hotel »ausruhen«, doch wer wußte schon, was er morgen tun würde? »Aber ich glaube, Mr.   Prick… Pritchard wird zurückschlagen wollen. Morgen womöglich. Du und Noëlle wechselt besser das Hotel. Ich will euch beiden hier keine Unannehmlichkeiten bereiten.«
    Héloïse’ Augenbrauen zitterten kaum merklich: »Zurückschlagen? Wie? Und du willst hierbleiben?«
    »Eben das weiß ich noch nicht. Gehen wir, chérie. «
    Sie hatten die Freundin fünf Minuten warten lassen, doch Noëlle schien guter Laune. Sie wirkte, als sei sie nach langer Abwesenheit an einen Ort zurückgekehrt, der ihr gefiel. Als die beiden auf sie zugingen, plauderte sie gerade mit dem Barkeeper.
    »Bonsoir, Tomme!« begrüßte sie ihn und fuhr auf französisch fort: »Was kann ich euch als apéritif anbieten? Der Abend geht auf mich.« Sie warf den Kopf zurück, ihr langes, glattes Haar schlug Wellen wie ein Vorhang. Sie trug große, dünne Goldringe im Ohr, eine bestickte schwarze Jacke und eine schwarze Hose. »Seid ihr für die Nacht warm genug angezogen? Ja.« Gleich einer Glucke vergewisserte sie sich, daß Héloïse einen Pullover dabeihatte.
    Tom und Héloïse waren vorgewarnt: Abends wurde es in Tanger empfindlich kühler als tagsüber.
    Zwei Bloody Marys, und Gin Tonic für Monsieur.
    Héloïse sprach die Sache an. »Tom meint, wir müssen das Hotel vielleicht heute noch verlassen – wir, nicht du, Noëlle. Erinnerst du dich an den Mann, der unser Haus fotografiert hat?«
    Tom war froh, daß seine Frau Pritchard offenbar nicht erwähnt hatte, als sie mit ihrer Freundin allein gewesen war. Noëlle erinnerte sich nur zu gut: »Er ist hier?« rief sie verblüfft.
    »Und macht immer noch Ärger! Zeig ihr deine Hand, Tomme !«
    Tom mußte lachen:

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