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Ripley Under Water

Ripley Under Water

Titel: Ripley Under Water Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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hervor und gab dem Eseltreiber einen Zehndirhamschein. »Leg deine Hand auf den Kopf des Eselchens«, wies sie Heloïse an. Klick! Heloïse grinste: »Du auch, Tomme !«
    »Nein.« Oder vielleicht doch. Tom machte einen Schritt auf die Eselin und das Jungtier zu, schüttelte den Kopf: »Ich mache ein Bild von euch beiden.«
    Das tat er, dann ging er, während die Frauen auf französisch mit dem Kameltreiber sprachen. Er mußte ein Taxi nach Tanger finden und sein Gepäck holen – er hätte es mitbringen können, aber er wollte noch einmal ins Rembrandt zurück, um sicherzugehen, daß Pritchard sie dort nicht aufgestöbert hatte. Im Minzah hatten sie gesagt, sie reisten weiter nach Casablanca.
    Tom mußte auf das Taxi warten. Zuvor hatte er im Café den Mann hinter der Theke gefragt, ob er sich ein Taxi rufen könne, und der Mann hatte das für ihn erledigt. Danach lief er auf der Terrasse auf und ab und zwang sich, langsam zu gehen.
    Das Taxi (seines?) fuhr vor; mehrere Leute ließen sich absetzen. Tom stieg ein und sagte: »Zum Hotel Rembrandt, Boulevard Pasteur, s’il vous plaît. «
    Der Fahrer gab Gas.
    Tom sah sich nicht mehr um; er wollte nicht mitbekommen, wie Heloïse womöglich hin und her geworfen wurde, wenn das Kamel, ob Hengst oder Stute, auf die Beine kam, wollte sich nicht vorstellen, wie es wäre, vom Höcker des Tieres nach unten auf den Sand zu schauen. Und dabei würde Heloïse wohl breit grinsend im Sattel sitzen und sich umschauen. Und später heil wieder absteigen. Tom schloß das Fenster bis auf einen fingerbreiten Spalt, wegen des peitschenden Fahrtwinds bei der hohen Geschwindigkeit.
    Hatte er jemals auf einem Kamel gesessen? Sicher war er sich nicht, auch wenn er das unangenehme Gefühl, hoch emporgehoben zu werden, so genau spürte wie die Erinnerung an etwas wirklich Erlebtes. Was ihm zuwider wäre – ungefähr so, wie auf einem Sprungbrett fünf, sechs Meter über dem Wasser zu stehen und auf das Schwimmbecken hinabzustarren. Spring! Warum sollte er? Hatte ihm irgendwer je zu springen befohlen? Im Sommer, im Jugendcamp? Tom wußte es nicht mehr. Manchmal war etwas in seiner Vorstellung so klar wie eine erinnerte Erfahrung. Und manche dieser Erinnerungen, etwa daran, daß er Dikkie und Murchison getötet hatte, verblaßten wohl mit der Zeit, selbst die Erinnerung an die beiden wohlgenährten Mafiamänner, die er getötet hatte, einen sogar mit der Garrotte erdrosselt. Letztere sogenannte menschliche Wesen, wie Doonesbury sagen würde, hatten ihm nichts bedeutet, abgesehen davon, daß ihm die Mafia zutiefst zuwider war. Hatte er diese beiden wirklich getötet, den einen im Zug, den andern in seinem eigenen Haus? Ob sein Unterbewußtsein den bewußten Teil seines Denkens schützte, indem es suggerierte, er könnte sie nicht getötet haben, sondern nur schwer verletzt? Aber er hatte selbstverständlich in den Zeitungen von den beiden Leichen gelesen. Oder etwa nicht? Natürlich hätte er die Meldungen nicht ausgeschnitten und zu Hause verwahrt! Tom wurde klar, daß es zwischen Geschehen und Gedächtnis tatsächlich einen Filter gab, doch was das war, hätte er nicht sagen können. Doch, natürlich, dachte er kurz darauf: die Selbsterhaltung.
    Dann wieder die staubigen Straßen voller Menschen und die mehrstöckigen Mietshäuser Tangers, die sich ringsum erhoben. Er erhaschte einen Blick auf den roten Backsteinturm des San Francisco, der dem Campanile auf Venedigs Piazza San Marco ähnelte, obwohl der Turm mit seinen weißen Steinen arabisch wirkte. Tom hockte vorn auf dem Sitz. »Wir sind gleich da«, sagte er auf französisch, weil der Fahrer so schnell fuhr.
    Endlich zog das Taxi nach links hinüber, zur anderen Seite des Boulevard Pasteur, Tom stieg aus und zahlte.
    Sein Gepäck hatte er unten in der Obhut des concierge gelassen. »Haben Sie Nachrichten für Ripley?« fragte er am Empfang.
    Nein, keine.
    Das freute ihn. Er hatte nur einen kleinen Koffer und eine Aktentasche dabei. »Jetzt bitte ein Taxi«, sagte er. »Zum Flughafen.«
    »Jawohl, Sir.« Der Mann hob den Finger und sprach kurz mit einem Pagen.
    »Hat jemand nach mir gefragt? Jemand, der nicht im Hotel wohnt und keine Nachricht hinterlassen hat?«
    »Nein, Monsieur, ich glaube nicht«, antwortete der Mann am Schalter bedächtig.
    Das Taxi kam, Tom stieg ein. »À l’aéroport, s’il vous plaît.«
    Sie fuhren nach Süden, und sobald die Stadt hinter ihnen lag, lehnte er sich zurück und rauchte eine Zigarette. Wie lange

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