Ripley Under Water
Seine Hand zeigen – sein Blatt wie beim Pokern. »Mein Wort muß dir reichen für meine Wunde«, erklärte er feierlich und zeigte das Pflaster.
»Eine Schlägerei!« sagte Héloïse.
Noëlle sah ihn an: »Aber warum ist er wütend auf dich?«
»Das ist die Frage. Er ist auf der Pirsch, sozusagen – und kauft dafür sogar ein Flugticket, was die meisten nicht tun würden«, antwortete Tom auf französisch. »Nur um in meiner Nähe zu sein. Seltsam.«
Héloïse erzählte ihr, Pritchard sei ohne Frau gekommen, wohne in einem Hotel in der Nähe, und für den Fall, daß der Mann vorhabe, sie anzugreifen, sei es besser, sie zögen alle drei aus dem Minzah aus. Pritchard wisse nämlich, daß Tom und sie hier wohnten.
»Gibt auch noch andere Hotels.« Toms Anmerkung war überflüssig, doch er wollte gelassener wirken, als ihm zumute war. Er merkte, wie froh er war, daß Noëlle und Héloïse die Klemme erkannten, in der er gerade steckte, auch wenn Héloïse’ Freundin nichts von dem Grund für Murchisons mysteriöses Verschwinden wußte, nichts von den Derwatt-Geschäften. Geschäft bedeutete hier zweierlei, dachte Tom und nippte an seinem Drink – einmal ein Gewerbe, denn das war es, dann aber auch Lug und Trug, die inzwischen die Hälfte davon ausmachten. Es fiel ihm schwer, sich wieder auf die Damen zu konzentrieren. Er stand, so wie Héloïse; nur Noëlle saß auf einem Hocker. Die beiden Frauen redeten über Schmuck, den sie im Grand Socco kaufen wollten, sprachen beide zugleich und verstanden dennoch zweifellos genau, wie immer schon, was die andere gerade sagte. Ein Mann kam herein, der Rosen verkaufte, ein fliegender Händler, seinem Aufzug nach zu urteilen. Noëlle winkte ab, viel zu tief in die Unterhaltung mit Héloïse versunken. Der Barkeeper brachte den Mann zur Tür.
Abendessen im Nautilus Plage, Noëlle hatte reserviert: ein Restaurant mit Terrasse am Meer, geschäftig, doch durchaus vornehm – viel Platz zwischen den Tischen und brennende Kerzen, damit man die Speisekarte lesen konnte. Die Spezialität des Hauses war Fisch. Nur nach und nach kehrten sie zu der Frage zurück, was morgen werden sollte, wenn sie das Hotel wechselten. Noëlle war sicher, sie ohne weiteres von der mündlichen Zusage befreien zu können, fünf Tage im Minzah zu bleiben. Sie kannte das Personal, und das Hotel war ausgebucht; sie würde einfach sagen, daß jemand komme, dem sie aus dem Weg gehen wolle.
»Was ja auch stimmt, nicht?« Sie zog die Augenbrauen hoch und lächelte Tom zu.
»Allerdings«, sagte er. Ihren letzten Liebhaber, der sie so hatte leiden lassen, schien sie vergessen zu haben.
9
Am nächsten Morgen stand Tom früh auf, vor acht. Daß er dabei Héloïse versehentlich weckte, störte sie offenbar nicht.
»Ich gehe nach unten, Liebes, einen Kaffee trinken. Was sagte Noëlle, wann wollte sie ausziehen? Um zehn?«
»So etwa.« Héloïse hielt die Augen noch geschlossen. »Ich kann packen, Tomme . Wohin gehst du?«
Sie spürte, daß er wegwollte. Aber wohin, wußte Tom selbst nicht genau. »Auf Patrouille«, erwiderte er. »Soll ich dir ein kleines Frühstück bestellen? Mit Orangensaft?«
»Das mache ich selber – wenn mir danach ist.« Sie kuschelte sich in ihr Kissen.
Was für eine angenehme, entspannte Gattin!, dachte Tom, öffnete die Tür und warf ihr eine Kußhand zu. »Bin in rund einer Stunde zurück.«
»Warum nimmst du die Dschellaba mit?«
Er hielt sie zusammengefaltet in der Hand. »Keine Ahnung. Um einen passenden Hut zu kaufen vielleicht?«
Unten ging Tom zum Empfang und erinnerte daran, daß seine Frau und er am Vormittag abreisen würden. Noëlle hatte gestern abend ganz spät, kurz vor Mitternacht, Bescheid gesagt, doch er hielt es für höflich, das noch einmal zu erwähnen, da das Personal inzwischen gewechselt hatte. Dann weiter zur Herrentoilette, wo ein Amerikaner mittleren Alters – jedenfalls wirkte er amerikanisch – sich an einem Waschbecken rasierte. Tom schüttelte die Dschellaba aus und zog sie über.
Der Amerikaner beobachtete ihn im Spiegel: »Stolpert ihr Jungs nicht über diese Dinger?« Er lachte leise, den Elektrorasierer in der Rechten, offenbar unsicher, ob ihn der andere verstanden hatte.
»Na klar«, erwiderte Tom. »Dann machen wir einen dummen Witz, etwa: Lieber sanft fallen als hart arbeiten.«
»Ha, ha!«
Tom winkte ihm zu und ging.
Wieder der sanft abfallende Boulevard Pasteur, wo die Händler schon ihre Stände auf dem Bürgersteig aufgebaut
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