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Ripley Under Water

Ripley Under Water

Titel: Ripley Under Water Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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würde Héloïse in Marokko bleiben? Würde sie Noëlle überreden weiterzureisen, woandershin? Nach Ägypten? Das glaubte er nicht, aber er konnte sich vorstellen, daß ihre Freundin länger im Land bleiben wollte. Was Tom mehr als recht war, weil er Gefahr witterte, vielleicht auch Gewalt, und zwar in Belle Ombre oder im Dorf. Er mußte versuchen, die widerlichen Pritchards aus Villeperce zu vertreiben, da er als Außenseiter – schlimmer noch, als Amerikaner – diesem ruhigen Dorf Ärger und Aufregung ersparen wollte. Ehrlich gesagt, hatte er davon schon genug hereingetragen, doch bislang hatte er wenig durchdringen lassen, fast alles verdeckt gehalten.
    An Bord der Air-France-Maschine ging es französisch zu: Tom, der erste Klasse flog, nahm das angebotene Glas Champagner (nicht gerade sein Lieblingsgetränk) an und sah zu, wie Tanger und die afrikanische Küste entschwanden. Wenn eine Küstenlinie einzigartig genannt werden konnte – ein beliebtes, mißbrauchtes Wort in den Reiseprospekten –, dann der Hafen von Tanger mit seinen zwei Zangen. Eines Tages würde er zurückkehren. Er nahm Messer und Gabel und begann zu essen, gerade als auch das spanische Festland von der üblichen steingrauen und weißen Ödnis vor dem Fenster überlagert wurde, die jedem Flugreisenden beschieden war. Eine (ihm jedenfalls) neue Ausgabe von Le Point wartete auf ihn; er würde nach dem Abendessen einen Blick hineinwerfen und danach bis zur Landung zu schlafen versuchen.
    Tom wollte Agnès Grais anrufen, um zu hören, wie es in Villeperce stand, und tat das noch in Roissy, kaum daß er seinen Koffer geholt hatte. Sie war zu Hause.
    »In Roissy«, antwortete er auf ihre Frage. »Habe beschlossen, früher nach Hause zu fliegen… Ja, Héloïse bleibt noch, mit ihrer Freundin Noëlle. Ist alles ruhig an der Heimatfront?« fuhr er auf französisch fort.
    Soweit sie wußte, ja. »Sie kommen mit dem Zug, Tomme ? Ich kann Sie in Fontainebleau abholen. Egal wie spät… Aber natürlich!«
    Sie warf einen Blick in den Fahrplan: Kurz nach Mitternacht werde sie ihn abholen. Aber mit Vergnügen, versicherte sie ihm, es sei ihr eine Freude.
    »Noch etwas, Agnès – könnten Sie gleich Madame Annette anrufen und ihr sagen, daß ich heute nacht nach Hause komme, und zwar allein? Nur damit sie nicht erschrickt, wenn ich die Tür aufschließe.«
    Sie sagte, das werde sie tun.
    Danach ging es Tom deutlich besser. Gelegentlich tat er den Grais’ ähnliche Gefallen, auch ihren Kindern. Es gehörte zum Landleben dazu, den Nachbarn zu helfen, das war eine der Annehmlichkeiten. Andererseits gab es natürlich die Kehrseite; die Mühen, die es machte, vom Land irgendwohin oder von dort zurückzukommen, so wie jetzt. Tom nahm ein Taxi zur Gare de Lyon, dann den Zug und kaufte beim Schaffner einen Fahrschein: Lieber den kleinen Zuschlag zahlen als sich mit den Ticketautomaten im Bahnhof herumschlagen. Er hätte ein Taxi bis nach Belle Ombre nehmen können, aber er hütete sich immer, die Chauffeure den ganzen Weg bis vor das Tor fahren zu lassen – das wäre so, als wollte man einem möglichen Feind genau zeigen, wo man wohnte. Tom fragte sich, ob er wegen dieser Furcht an Verfolgungswahn leide. Doch sollte ein Taxifahrer sich als Feind entpuppen, wäre es zu spät für so müßige Fragen.
    In Fontainebleau wartete eine lächelnde Agnès, gut gelaunt wie immer, und auf der Fahrt nach Villeperce beantwortete Tom ihre Fragen über Tanger. Die Pritchards erwähnte er nicht, in der Hoffnung, sie würde irgend etwas von Janice erzählen, die nur rund hundert Meter von ihr wohnte. Aber Agnès sagte nichts.
    »Madame Annette meinte, sie würde aufbleiben für Sie. Also wirklich, Tomme, sie ist…«
    Ihr fehlten die Worte für Madame Annettes treue Ergebenheit, und zwar zu Recht. Seine Haushälterin hatte sogar die breiten Torflügel geöffnet.
    »Sie wissen also nicht sicher, wann Héloïse zurückkommt?« fragte Agnès, als sie in Belle Ombres Einfahrt rollten.
    »Nein. Das liegt bei ihr. Sie braucht ein bißchen Urlaub.« Tom holte sein Gepäck aus dem Kofferraum, dankte ihr und sagte bonne nuit.
    Madame Annette öffnete die Haustür: »Soyez le bienvenu, Monsieur Tomme!«
    » Merci, Madame Annette. Ich bin froh, wieder hier zu sein.« Er war glücklich, den schwachen vertrauten Duft von Rosenblüten und Möbelpolitur zu riechen, Madame Annette zu hören, die ihn fragte, ob er Hunger habe. Nein, versicherte Tom, er wolle nur bald ins Bett. Doch zuvor noch

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