Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ripley Under Water

Ripley Under Water

Titel: Ripley Under Water Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
Vom Netzwerk:
mußte nur die welken Blüten auszupfen. Und wäre es nicht schön, ein paar Blumen für das Wohnzimmer zu schneiden? Madame Annette tat das selten, wußte sie doch, daß Tom die Farben gern täglich selbst wählte.
    David Pritchard war jetzt wieder da, mahnte er sich, wahrscheinlich seit gestern abend, und ging vielleicht heute schon fischen. Oder doch nicht?
    Tom erledigte einige Rechnungen, verbrachte eine Stunde mit Gartenarbeit und aß dann zu Mittag. Bislang hatte Madame Annette nichts Neues aus der Bäckerei über die Pritchards berichtet. Er überprüfte die beiden Autos in der Garage und das eine davor (diesmal der Kombi): Alle drei sprangen sofort an. Und bei allen drei Wagen wusch er die Windschutzscheiben.
    Dann ging er zum roten Mercedes, den er selten benutzte, weil der Wagen in seinen Augen Héloïse gehörte, und fuhr los, nach Westen.
    Die Straßen durch das flache Land waren ihm mehr oder weniger vertraut, doch nicht so gut wie die anderen, die er etwa nach Moret oder Fontainebleau nahm, wenn er einkaufen fuhr. Tom hätte nicht einmal genau sagen können, welche Straße er in jener Nacht gefahren war, als er zusammen mit Bernard Murchisons Leiche hatte verschwinden lassen. Damals hatte er nur nach irgendeinem Fluß oder Kanal gesucht, nach jedem beliebigen, nicht zu nahen Gewässer, in das er ohne große Mühe die verschnürte Leiche werfen konnte. In die Segeltuchplane, die Murchison umhüllte, hatte er ein paar große Steine gesteckt, das wußte er noch – die Leiche sollte versinken und unter Wasser bleiben. Nun, nach allem, was Tom gehört hatte, war sie auch unten geblieben. Jetzt sah er auf einen Blick, daß in dem Handschuhfach eine Faltkarte von der Umgebung lag, aber er wollte sich vorerst lieber auf seinen Instinkt verlassen. In die Hauptflüsse der Gegend, den Loing, die Yonne und die Seine, mündeten viele Kanäle und Nebenflüsse, manche ohne Namen, und Tom wußte nur noch, daß er Murchison in einen dieser Wasserarme geworfen hatte, über das Geländer einer Brücke, die er womöglich wiedererkennen würde.
    Vielleicht war die Suche hoffnungslos. Sollte jemand den Versuch unternehmen, Derwatt in Mexiko aufzuspüren, in irgendeinem kleinen Dorf, könnte er sein Leben lang suchen, dachte Tom. Wenn nicht länger. Denn Derwatt hatte nie in Mexiko gelebt, nur in London, und war nach Griechenland gefahren, um sich umzubringen.
    Tom sah auf die Tankanzeige: noch mehr als halb voll. An der nächsten sicheren Stelle wendete er und fuhr nach Nordosten. Nur alle paar Minuten kam ihm ein anderes Auto entgegen. Rechts und links dehnten sich grüne Felder – hoher, dichtgepflanzter Futtermais für das Vieh. Schwarze Krähen zogen krächzend ihre Kreise.
    Tom wußte noch, daß Bernard und er in jener Nacht von Villeperce sieben oder acht Kilometer gen Westen gefahren waren. Ob er nach Hause zurückkehren und auf der Karte einen Kreis schlagen sollte, mit dem Zentrum westlich vom Dorf? Er nahm eine Straße, die an den Häusern der Pritchards und der Grais’ vorbeiführen dürfte.
    Muß die Berthelins anrufen, fiel ihm auf einmal ein. Jacqueline und Vincent.
    Kannten die Pritchards den roten Mercedes seiner Frau? Tom glaubte das nicht. Als er sich ihrem weißen, zweistökkigen Haus näherte, bremste er ab, weil er möglichst viel sehen und trotzdem die Straße im Auge behalten wollte. Sein Blick fiel auf einen weißen Pick-up in der Einfahrt vor den Verandastufen: Wurde gerade das Sportgerät geliefert? Grau und massig ragte die Ladung über die Ladefläche am Heck des Wagens hinaus. Tom hörte eine Stimme, wohl die eines Mannes, vielleicht auch zweier Männer, doch sicher war er nicht, und dann lag das Grundstück der Pritchards hinter ihm.
    Könnte das ein kleines Boot gewesen sein, dort auf dem Pick-up? Die graue Segeltuchplane über der Ladung erinnerte Tom an das dunklere Grau der Plane oder Persenning, die damals Thomas Murchison bedeckt hatte. Na gut, vielleicht hatte sich Pritchard einen Pritschenwagen und ein Boot besorgt, womöglich gar einen Helfer? Ein Ruderboot? Wie konnte ein einzelner Mann in einem Kanal, dessen Wasserhöhe mit Schließen oder Öffnen der Schleusen schwankte, ein Ruderboot samt Außenborder zu Wasser lassen und sich allein am Tau hinabhangeln? Die Uferböschung der Kanäle fiel senkrecht ab. Hatte Pritchard mit einem Lieferanten gesprochen, über die Zahlungsweise etwa, oder mit einem Mann, den er anheuern wollte?
    Wenn Pritchard wieder zu Hause war, konnte Tom seine

Weitere Kostenlose Bücher