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Ripley Under Water

Ripley Under Water

Titel: Ripley Under Water Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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im eigenen Tempo.
    Hinter der nächsten sanften Kurve mußte er wegen eines langsam fahrenden Pick-ups abbremsen. Sofort fiel ihm die grauverhüllte Ladung auf, die hinten herausragte. Und zur Rechten ein Fluß oder Kanal, keine hundert Meter weg. Pritchard und Kompagnon oder der Mann allein? Tom war so dicht aufgefahren, daß er durch das Rückfenster sehen konnte, wie der Fahrer mit seinem Beifahrer redete. In seiner Vorstellung sprachen die beiden über das Wasser, den Fluß zu ihrer Rechten. Tom bremste stärker ab. Das war zweifellos der Transportwagen, den er in der Einfahrt der Pritchards gesehen hatte, im Vor- oder Hinterhof (wie sie es auch nannten).
    Er überlegte, ob er abbiegen sollte, nach rechts oder nach links, beschloß dann aber, die beiden einfach zu überholen.
    Gerade gab er Gas, als ihm ein Auto entgegenkam, ein großer, grauer Peugeot, dem alles andere gleichgültig schien. Tom bremste, ließ den Peugeot vorbeiziehen und trat das Gaspedal durch.
    Die beiden Männer im Pick-up redeten immer noch; am Steuer saß nicht Pritchard, sondern ein Unbekannter mit welligem hellbraunem Haar. Daneben Pritchard, der beim Sprechen auf den Fluß zeigte, als Tom überholte. Er war sich ziemlich sicher, daß er den beiden nicht aufgefallen war.
    Tom fuhr weiter nach Villeperce, schaute allerdings bis zum letzten Moment in den Rückspiegel – er war gespannt, ob sie es wagen würden, mit dem Pick-up etwa ein Feld zu überqueren, um sich den Fluß genauer anzusehen. Nicht, während er zusah.

16
    An diesem Abend fand Tom nach dem Essen keine Ruhe, wollte sich aber weder mit Fernsehen ablenken noch Agnès Grais oder die Cleggs anrufen. Er überlegte, ob er versuchen sollte, Jeff Constant oder Ed Banbury zu erreichen: Einer der beiden könnte zu Hause sein. Was würde er sagen? Kommt her, so schnell wie möglich? Er könnte Ed oder Jeff bitten, herzukommen – es wäre ein Notfall, wie Tom sich eingestand, und er würde sich auch nicht scheuen, das zuzugeben. Für beide wäre die Reise vielleicht wie ein Kurzurlaub, besonders wenn gar nichts passierte. Würde Pritchard nicht aufgeben, wenn er fünf, sechs Tage lang erfolglos den Grund abgefischt hatte? Bestimmt. Oder war er so verrückt und besessen, daß er wochenlang, monatelang weitermachen würde?
    Ein beängstigender Gedanke, doch nicht von der Hand zu weisen. Wer konnte vorhersagen, was ein Wahnsinniger tun würde? Psychologen vielleicht, dachte Tom, aber deren Voraussagen würden auf anderen Fallgeschichten basieren, auf Ähnlichkeiten und Wahrscheinlichkeiten – alles keine eindeutige Anzeichen in den Augen von Ärzten.
    Héloïse: Sechs Tage war sie nun fort von Belle Ombre. Gut zu wissen, daß Noëlle bei ihr war, noch besser, daß Pritchard nicht mehr dort war.
    Tom starrte das Telefon an. Erst Ed, dann Jeff, dachte er. Zum Glück war London eine Stunde zurück – falls ihm später noch danach sein sollte, einen der beiden anzurufen.
    Zwölf nach neun. Madame Annette hatte die Küchenarbeit hinter sich und saß wahrscheinlich tief versunken vor dem Fernseher. Er könnte die eine oder andere Skizze für sein Ölgemälde Blick aus dem Fenster zeichnen.
    Als Tom zur Treppe ging, klingelte das Telefon.
    Er hob in der Diele ab. »Hallo?«
    »Hal- lo, Mr.   Ripley.« Eine amerikanische Stimme, selbstbewußt, gut gelaunt. »Dickie schon wieder. Du weißt noch? Habe dich nicht aus den Augen gelassen – ich weiß, wo du warst.«
    Der Mann klang wie Pritchard, der gepreßt höher sprach, um jung zu klingen. Tom stellte sich sein Gesicht vor, das gezwungene Grinsen, den schiefen Mund, verzogen bei dem Versuch, den breiten New Yorker Akzent nachzuahmen und die Konsonanten zu verschlucken. Tom schwieg.
    »Hast du Angst, Tom? Vor den Stimmen der Vergangenheit? Den Toten?«
    Bildete er sich das ein, oder hatte er wirklich Janice im Hintergrund gehört? Ein tadelndes Wort, kurzes Gekicher?
    Der Mann räusperte sich. »Bald wird abgerechnet, Tom. Sehr bald schon. Alles hat seinen Preis.«
    Was sollte das heißen? Nichts vermutlich.
    »Noch da, Tom? Hat dir wohl vor Angst die Sprache verschlagen?«
    »Ganz und gar nicht. Das Gespräch wird aufgezeichnet, Pritchard.«
    »Oho – Dickie bitte. So langsam nimmst du mich ernst, was?«
    Tom schwieg.
    »Ich… bin nicht Pritchard«, fuhr der Mann mit hoher Stimme fort, »aber ich kenne ihn. Er arbeitet für mich.«
    Vielleicht würden sie sich bald im Jenseits wiedersehen, dachte Tom. Er beschloß, nichts mehr zu

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