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Ripley Under Water

Ripley Under Water

Titel: Ripley Under Water Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Frau, dessen unzuverlässige Verbündete, nicht über ihren Gatten aushorchen, weil der Mann entweder selbst abheben oder mithören und ihrer schmalen Hand den Hörer entreißen würde.
    Kein Lebenszeichen im Hause der Grais’. Tom bog links ab in eine leere Straße, ein paar Meter weiter dann nach rechts in die ein, an der Belle Ombre stand.
    Voisy, schoß ihm plötzlich durch den Kopf, ohne erkennbaren Grund, und ihm war, als ginge plötzlich das Licht an: Das war der Name des Dorfs unweit des Flusses oder Kanals, in den er Murchisons Leiche geworfen hatte. Voisy, im Westen. Jedenfalls würde er es auf der Karte finden.
    Genau das tat er, als er wieder zu Hause war und eine Karte von Fontainebleau und Umgebung herausgesucht hatte. Ein Stückchen westlich, nicht weit von Sens: Voisy, sogar am Loing gelegen, einem Fluß also.
    Tom war erleichtert. Wenn Murchisons Leiche überhaupt abgetrieben war, was Tom bezweifelte, dann nach Norden, in Richtung der Seine. Er versuchte, schwere Regenfälle mit einzuberechnen, auch den Umschlag der Strömung. Konnte die Strömung überhaupt umschlagen? Nicht bei einem Fluß so weit landeinwärts. Und zum Glück war es ein Fluß, denn die Kanäle wurden nicht selten vor Instandsetzungsarbeiten drainiert.
    Er rief bei den Berthelins an; Jacqueline meldete sich. Ja, sagte Tom, Héloïse und er seien ein paar Tage weg gewesen, in Tanger, und sie sei immer noch dort.
    »Wie geht es Sohn und Schwiegertochter?« fragte er. Jean-Pierre, der Sohn der Berthelins, hatte sein Kunststudium an der Académie des Beaux-Arts abgeschlossen, das er vor einigen Jahren unterbrochen hatte – wegen des Mädchens, das nun seine Frau war. Tom wußte noch, wie Jean-Pierres Vater, Vincent Berthelin, gegen sie gewettert hatte. »Die ist es nicht wert!« hatte er geschrien.
    »Jean-Pierre geht es gut, im Dezember erwarten die beiden ein Baby!« rief Jacqueline voller Freude.
    »Oh, gratuliere!« sagte Tom. »Dann sollte Ihr Haus aber besser warm sein – für das Baby.«
    Jacqueline lachte und gab ihm in diesem heiklen Punkt recht: Schon richtig, Vincent und sie hätten jahrelang kein warmes Wasser gehabt, nun aber bauten sie sogar ein zweites WC ein, gleich neben dem Gästezimmer, und ein Waschbecken dazu.
    »Gut.« Tom lächelte. Er wußte noch, wie die Berthelins, die sich aus irgendeinem Grund für das rauhe Landleben entschlossen hatten, auf dem Küchenherd Waschwasser in einem Kessel zum Kochen gebracht hatten. Und die Toilette war hinter dem Haus gewesen.
    Sie versprachen, sich bald zu treffen – ein Versprechen, das nicht immer eingelöst wurde, dachte Tom, weil manche Leute offenbar niemals Zeit hatten. Dennoch ging es ihm besser, als er aufgelegt hatte: Gute Beziehungen zu den Nachbarn waren wichtig.
    Mit der Tribune entspannte er sich auf dem Sofa. Madame Annette war wohl auf ihrem Zimmer; Tom glaubte zu hören, daß ihr Fernseher lief. Daß sie bestimmte Soap Operas sah, wußte er, weil sie Héloïse und ihm einst davon erzählt hatte, bis ihr klargeworden war, daß sich die Ripleys solche Serien nicht anschauten.
    Um halb fünf, als die Sonne noch hoch über dem Horizont stand, fuhr Tom im braunen Renault in Richtung Voisy. Wie anders sah doch die bäuerliche Landschaft heute im hellen Sonnenlicht aus, verglichen mit damals, in jener Nacht – mondlos, wenn er sich recht erinnerte –, als er nicht wußte, wohin er mit Bernard fahren sollte. Bis jetzt, sagte er sich, war Murchisons nasses Grab als Versteck ein voller Erfolg gewesen. Und vielleicht blieb es das auch.
    Erst als Tom das Ortsschild VOISY erreichte, sah er das Dorf, wenn auch noch hinter Bäumen und einer Linkskurve versteckt. Zu seiner Rechten die flache Brücke, mit Rampen an beiden Enden, rund dreißig Meter lang, mindestens. Über das hüfthohe Geländer dieser Brücke hatten Bernard und er die Leiche gehievt.
    Tom fuhr langsam, aber stetig weiter. An der Brücke bog er rechts ab und überquerte sie. Wohin die Straße dahinter weiterführte, wußte er nicht, und es war ihm auch egal. Wenn er sich recht erinnerte, hatten Bernard und er das Segeltuchbündel aus dem geparkten Wagen zur Brücke geschleift. Oder waren sie so dreist gewesen, bis auf die Brükke zu fahren?
    An der nächsten geeigneten Stelle hielt Tom, sah auf der Karte, daß er bald an eine Kreuzung käme, und fuhr weiter. Dort würde er seinen Weg finden, denn Nemours oder Sens mußten ausgeschildert sein. Er sah noch den Fluß vor sich, auf den er nur einen kurzen

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