Ripley Under Water
als wäre er allein deswegen gekommen.
Madame Annette reichte ihm ein Messer und einen kleinen Teller. »Heute morgen war er noch nicht zurück«, sagte sie. »Inzwischen vielleicht.«
»Aber seine Frau ist noch hier?«
»O ja. Manchmal kauft sie im Laden ein.«
Tom ging mit dem kleinen Teller ins Wohnzimmer und stellte ihn neben seinem Drink ab. Auf dem Tisch in der Diele lag das Notizbuch, das Madame Annette niemals anrührte. Bald hatte er die Nummer der Pritchards gefunden, die noch nicht im Telefonbuch stand.
Als er nach dem Hörer greifen wollte, sah er Madame Annette näher kommen.
»Monsieur Tomme, bevor ich’s vergesse: Heute morgen hörte ich, daß die Prichards ihr Haus in Villeperce gekauft haben.«
»Ach ja?« sagte Tom. »Interessant.« Doch er sagte es so, als sei es ihm gleichgültig. Madame Annette wandte sich ab. Tom starrte das Telefon an.
Sollte Pritchard selber abheben, würde er ohne ein Wort wieder aufhängen. Falls Janice sich meldete, würde er das Risiko eingehen – er könnte fragen, wie es David mit seinem Kiefer gehe, was voraussetzte, daß Pritchard seiner Frau von ihrer Schlägerei in Tanger erzählt hatte. Ob sie wußte, daß Pritchard Madame Annette in amerikanisch gefärbtem Französisch erzählt hatte, Héloïse sei entführt worden? Tom beschloß, das nicht zu erwähnen. Wo endete die Höflichkeit, wo begann der Wahnsinn, oder umgekehrt? Er stand gerade, sagte sich, daß Höflichkeit und gute Manieren selten falsch seien, und wählte.
Janice Pritchard meldete sich mit amerikanischem Singsang: »Hel-loo?«
»Hallo – Janice. Tom Ripley.« Er lächelte dabei.
»Ach, Mr. Ripley! Ich dachte, Sie wären in Nordafrika!«
»War ich, doch nun nicht mehr. Hab Ihren Gatten dort getroffen, wie Sie vielleicht wissen.« Und bewußtlos geschlagen, dachte Tom und lächelte wiederum höflich, als könnte ihn Janice via Telefon sehen.
»J-ja. Das hab ich gehört…« Sie verstummte. Ihre Stimme klang angenehm oder doch wenigstens weich. »Ja, es gab einen Kampf…«
»Ach, nicht der Rede wert«, erwiderte Tom bescheiden. Sein Gefühl sagte ihm, daß Pritchard noch nicht zu Hause war. »Ihrem Mann geht es hoffentlich gut?«
»Natürlich geht es ihm gut. Ich weiß, er will es ja nicht anders«, sagte Janice ernsthaft. »Wer austeilt, muß auch einstecken können, nicht? Warum ist er bloß nach Tanger geflogen?«
Tom erschauderte. In ihren Worten steckte mehr Wahrheit, als Janice womöglich wußte. »Sie erwarten ihn bald zurück?«
»Ja, heute abend. Ich werd ihn in Fontainebleau abholen, sobald er sich meldet«, antwortete sie ernst und gleichmütig, wie es ihre Art war. »Er sagte, es könnte ein bißchen später werden, weil er zuvor in Paris noch Sportzeug kaufen wollte.«
»Ach ja? Golf?« fragte Tom.
»Nein. Angeln, glaub ich. Weiß nicht genau. Sie wissen ja, wie David redet – er kommt nicht zur Sache.«
Das wußte Tom nicht. »Und wie geht es Ihnen, so ganz allein? Sind Sie nicht einsam und langweilen sich?«
»O nein, das nie. Ich höre meine Grammatikplatten, versuche, mein Französisch zu verbessern.« Ein kurzes Auflachen. »Die Leute hier sind nett.«
Ach ja? Was sie nicht sagte. Tom mußte sofort an die Grais’ denken, die zwei Häuser weiter wohnten, verkniff sich aber die Frage, ob Janice sie schon kennengelernt habe.
»Tja, also – David: Nächste Woche sind es womöglich Tennisschläger«, fuhr sie fort.
»Wenn es ihn glücklich macht.« Tom lachte leise. »Vielleicht denkt er dann nicht mehr an mein Haus.« Er klang amüsiert und geduldig, als spräche er von der vorübergehenden Laune eines Kindes.
»Ach, das glaub ich kaum. Er hat unser Haus hier gekauft. Sie findet er faszinierend. «
Erneut sah Tom die Frau vor sich, wie sie lächelnd und sichtlich bester Laune ihren Mann von Belle Ombre wegfuhr, nachdem dieser sich dort mit der Kamera herumgetrieben und Fotos geschossen hatte. »Sie scheinen nicht alles zu billigen, was er tut«, sagte Tom. »Haben Sie je daran gedacht, ihn davon abzubringen? Oder gar, ihn zu verlassen?« wagte er sich vor.
Nervöses Lachen. »Eine Frau verläßt ihren Mann nicht, oder? Sonst verfolgt er mich !« Das letzte Wort gellte schrill durch ihr Lachen.
Tom lachte nicht, lächelte nicht einmal. »Verstehe«, sagte er, weil er nicht wußte, was er sonst sagen sollte. »Sie sind eine treu ergebene Gattin. Nun gut, Janice, Ihnen beiden alles Gute. Vielleicht sehen wir Sie und Ihren Gatten bald wieder.«
»O ja, das
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