Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund
stieg wieder in Simone auf.
»Ohne ihn –? Was hat er hier zu suchen?«
Tom stand ganz gerade. Er ging in die Küche voran: Vielleicht war das der einzige Weg, sie aus dem Wohnzimmer zu lotsen. Simone und Jonathan folgten ihm. »Ich kann Ihnen das jetzt nicht erklären, Madame. Nicht heute nacht. Wir müssen jetzt losfahren, mit diesen Männern. Wären Sie bereit…?« Hatten sie, hatte er die Zeit, sie im Renault nach Fontainebleau zu fahren, dann zurückzukehren und mit Jonathans Hilfe die Leichen wegzuschaffen? Nein. Tom wollte auf keinen Fall so viel Zeit verlieren, rund eine Dreiviertelstunde. »Madame, soll ich ein Taxi rufen, das Sie nach Fontainebleau zurückbringt?«
»Ich bleibe bei meinem Mann. Ich will wissen, was er hier verloren hat – mit Abschaum wie Ihnen!«
Ihre ganze Wut war nur gegen ihn gerichtet. Tom wäre es am liebsten gewesen, sie hätte sich jetzt gleich entladen, ein für allemal, in einem einzigen großen Ausbruch. Mit wütenden Frauen war er noch nie klargekommen, hatte bislang auch nicht mit vielen zu tun gehabt. Er kam sich dann immer vor, als wäre er vom Chaos umringt wie von einem Kreis kleiner Feuer: Kaum hatte er eines ausgetreten, sprang die Frau gedanklich schon zum nächsten weiter. Zu Jonathan sagte er: »Wenn Simone doch nur ein Taxi nach Fontainebleau nehmen würde…«
»Ich weiß, ich weiß. Simone, es ist wirklich besser, du fährst nach Hause.«
»Kommst du mit?« fragte sie.
»Ich – ich kann nicht«, erwiderte Jonathan verzweifelt.
[305] »Das heißt, du willst nicht. Du stehst auf seiner Seite.«
»Schatz, laß uns später darüber reden, ja? Ich…«
Während Jonathan im selben Ton weitersprach, mußte Tom denken, daß Jonathan womöglich gar nicht helfen wollte oder es sich anders überlegt hatte. Bei seiner Frau kam er jedenfalls nicht weiter. Tom unterbrach ihn:
»Jonathan.« Er winkte ihn zu sich. »Madame, Sie entschuldigen uns bitte für einen Moment.« Im Wohnzimmer flüsterte er ihm zu: »Wir haben sechs Stunden Arbeit vor uns. Oder ich jedenfalls. Ich muß die beiden da wegschaffen und verschwinden lassen, am besten so, daß ich im Morgengrauen oder vorher noch zurück bin. Willst du mir wirklich helfen?«
Jonathan fühlte sich so verloren, als stehe er in einer Schlacht zwischen den Fronten. Aber was Simone betraf, war die Schlacht schon verloren. Das hier konnte er ihr niemals verständlich machen. Es war nichts gewonnen, wenn er mit ihr nach Fontainebleau zurückkehrte. Simone hatte er verloren, was blieb ihm da noch? Diese Gedanken schossen ihm durch den Kopf, wie gebündelt zu einem einzigen Bild. »Ja, das will ich.«
»Gut. Danke.« Tom lächelte gezwungen. »Simone wird sicher nicht bleiben wollen. Natürlich könnte sie im Zimmer meiner Frau schlafen. Vielleicht finde ich ein Beruhigungsmittel für sie. Aber sie darf um Himmels willen nicht mitkommen!«
»Nein.« Um Simone würde er sich selber kümmern müssen. Jonathan kam sich machtlos vor; er würde sie weder überreden noch herumkommandieren können. »Sie hat sich noch nie von mir sagen lassen, was sie –«
[306] »Die Sache ist nicht ungefährlich«, unterbrach ihn Tom. Dann verstummte er: Sie hatten genug Zeit mit Gerede verplempert. Er ging ins Wohnzimmer und warf wider Willen einen Blick auf Lippo, dessen Gesicht inzwischen bläulich verfärbt war, zumindest erschien es Tom so. Sein ungeschlachter Körper hatte jedenfalls etwas Verlassenes, etwas Leeres, wie es nur Tote an sich haben, nicht Schlafende und nicht einmal Träumende, nun da jedes Bewußtsein für immer entschwunden war. Auf dem Weg zur Küche kam ihm Simone entgegen. Er sah, daß das Glas in ihrer Hand leer war, ging zum Barwagen und nahm die Flasche mit zurück. Er schenkte ihr ein, obwohl sie ihm bedeutete, sie wolle keinen Whisky mehr. »Sie brauchen das ja nicht zu trinken, Madame«, sagte Tom. »Bevor wir gehen, muß ich Ihnen sagen, daß es für Sie nicht ungefährlich wäre, im Haus zu bleiben. Ich weiß einfach nicht, ob nicht noch mehr von diesen Kerlen hier aufkreuzen.«
»Dann komme ich mit. Ich möchte bei meinem Mann bleiben!«
»Das ist unmöglich, Madame«, sagte Tom bestimmt.
»Was haben Sie vor?«
»Genau weiß ich das nicht, aber wir müssen das hier loswerden – das Aas hier!« Er wies auf die beiden. »Charogne!« wiederholte er auf französisch.
»Simone, du mußt dir ein Taxi nach Fontainebleau nehmen«, sagte Jonathan.
»Non!«
Mit der einen Hand packte er sie am
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