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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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machte er sich ans [301]  Werk und zog die Garrotte fest zu. Eine unangenehme Arbeit – die Phrase schoß ihm durch den Kopf –, aber was war mit denen, die nicht das Glück hatten, betäubt und bewußtlos zu sein? Tom hielt die Schnur straff gespannt, die Schlinge war im fleischigen Hals verschwunden. Der Gedanke, daß ihm Vito Marcangelo im Mozart-Expreß auf dieselbe Weise erlegen war, gab ihm Kraft: Er hatte es schon einmal geschafft, dies war nicht das erste Mal.
    Draußen auf der Straße näherte sich zögernd ein Auto, fuhr vor und hielt an. Tom hörte, wie die Handbremse angezogen wurde. Er hielt die Schlinge weiterhin fest zugezogen. Wie viele Sekunden schon? Fünfundvierzig? Sicher nicht mehr als eine Minute, leider.
    »Was ist da los?« flüsterte Jonathan, der aus der Küche kam.
    Der Motor des Wagens lief noch.
    Tom schüttelte den Kopf.
    Das Geräusch leichtfüßiger Schritte auf dem Kies, dann das Klopfen an der Tür. Jonathan wurde auf einmal schwach, als wollten ihm die Beine versagen.
    »Ich glaube, das ist Simone«, sagte er.
    Tom hoffte inständig, daß Lippo tot war. Dessen Gesicht war noch nicht einmal dunkelrot angelaufen. Zum Teufel mit ihm!
    Wieder das Klopfen. »Monsieur Ripley? Jon?!«
    »Frag sie, ob jemand bei ihr ist«, sagte Tom. »Wenn ja, können wir nicht aufmachen. Dann sag ihr, wir hätten zu tun.«
    »Ist jemand bei dir, Simone?« fragte Jonathan durch die geschlossene Tür.
    [302]  »Nein, niemand! Ich habe das Taxi warten lassen. Was geht hier vor, Jon?«
    Tom hatte mitgehört.
    »Sag ihr, sie soll das Taxi wegschicken.«
    »Bezahl das Taxi, Simone!« rief Jonathan.
    »Hab ich schon!«
    »Sag dem Mann, er kann fahren.«
    Simone ging zur Straße zurück. Sie hörten das Taxi wegfahren. Simone kam wieder und nahm die Stufen zur Haustür, doch diesmal klopfte sie nicht, sondern wartete nur.
    Tom richtete sich auf, lockerte die Schlinge um Lippos Hals aber nicht. Konnte Jonathan nicht hinausgehen und ihr klarmachen, daß sie nicht hereinkommen konnte? Daß sie Leute im Haus hatten? Daß sie ihr ein anderes Taxi rufen würden? Was wohl der Fahrer von eben denken würde? Lieber diesen Mann wegschicken, als vor seinen Augen Simone nicht in ein hell erleuchtetes Haus hineinlassen, in dem sich mindestens eine Person aufhielt.
    »Jon!« rief sie. »Machst du nun endlich die Tür auf? Ich will mit dir reden.«
    Leise sagte Tom: »Kannst du mit ihr draußen warten, während ich ein anderes Taxi rufe? Erzähl ihr, wir hätten mit ein paar Leuten Geschäftliches zu besprechen.«
    Jonathan nickte, zögerte kurz, schob dann den Riegel zurück und öffnete die Tür. Er hatte hinausschlüpfen wollen, doch Simone drückte ihn mitsamt der Tür beiseite und stand sofort in der Diele.
    »Jon! Tut mir leid, wenn ich…« Ganz außer Atem, sah sie sich um, wohl nach Tom Ripley, dem Herrn des [303]  Hauses. Sie erblickte ihn – und im selben Moment die beiden auf dem Boden liegenden Männer. Ein kurzer Aufschrei, die Handtasche entglitt ihr und landete mit einem leisen Plopp auf den Marmorfliesen. » Mon dieu, was ist hier passiert?«
    Jonathan nahm sie fest bei der Hand. »Schau nicht hin. Diese Männer…«
    Simone stand wie erstarrt.
    Tom kam auf sie zu. »Guten Abend, Madame. Haben Sie keine Angst: Diese Männer wollten hier einbrechen. Sie sind bewußtlos. Es gab ein bißchen Ärger. – Jonathan, bring doch Simone in die Küche, ja?«
    Simone blieb, wo sie war. Sie schwankte, lehnte sich kurz gegen Jonathan, hob dann den Kopf und starrte Tom mit wildem Blick an. »Die sind tot! Mörder! C’est épouvantable! Jonathan, ich kann das nicht glauben – du hier!«
    Tom trat an den Barwagen. »Meinst du, Simone könnte einen Brandy vertragen?« rief er Jonathan zu.
    »Ja. Simone, wir gehen in die Küche.« Er wollte sie begleiten, sie von den Leichen abschirmen, indem er neben ihr ging, aber sie rührte sich nicht von der Stelle.
    Die Brandyflasche ließ sich schwer öffnen, also nahm Tom den Whisky und goß einen Fingerbreit in ein Glas auf dem Barwagen. Er brachte Simone den Drink ohne Eis oder Wasser. »Madame, ich weiß, das ist furchtbar. Diese Männer gehören zur italienischen Mafia. Sie sind gekommen, um uns, oder mindestens mich, in meinem Haus anzugreifen.« Erleichtert sah er sie am Whisky nippen. Sie verzog dabei kaum das Gesicht, als nehme sie eine Medizin, die ihr guttun würde. »Jonathan hat mir geholfen, [304]  dafür bin ich ihm sehr dankbar. Ohne ihn…« Er verstummte. Wut

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