Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund
werde gegen fünf bei ihr vorbeischauen. Sollte Jonathan dann wieder zu Hause sein, um so besser.
Daß Simone kein Telefon hatte, fand Tom mißlich. Hätte sie andererseits Telefon gehabt, hätte er auf die Frage, ob er vorbeikommen könne, wahrscheinlich nur ein entschiedenes Nein zu hören bekommen. Bei einem Blumenhändler nahe dem Schloß von Fontainebleau kaufte er gelbe Treibhausdahlien, denn sein eigener Garten gab noch nichts Präsentables her. Um zwanzig nach fünf klingelte Tom an der Tür der Trevannys.
Von innen hörte er Schritte, dann Simones Stimme: »Qui est-ce?«
»Tom Ripley.«
Pause.
Dann öffnete sie mit versteinerter Miene.
»Guten Tag – bonjour encore «, sagte Tom. »Hätten Sie wohl ein paar Minuten Zeit für mich? Ist Jonathan schon zurück?«
»Er kommt um sieben nach Hause. Sie geben ihm noch eine Transfusion«, erwiderte Simone.
»Ah ja?« Tom riskierte es und trat ein, auf die Gefahr hin, daß Simone wütend wurde. »Die hab ich Ihnen mitgebracht, Madame. Für Ihr Haus.« Mit einem Lächeln gab er ihr die Blumen. »Und Georges: Bonjour, Georges.« Tom streckte die Hand aus, der Junge nahm sie und sah lächelnd zu ihm auf. Tom hatte daran gedacht, ihm Süßigkeiten mitzubringen, doch er wollte es nicht übertreiben.
[330] »Was ist?« fragte Simone, nach einem kühlen »merci« für die Blumen.
»Ich muß Ihnen unbedingt einiges erklären. Letzte Nacht zum Beispiel. Deshalb bin ich hier, Madame.«
»Und Sie glauben, das könnten Sie?«
Er erwiderte ihren Sarkasmus mit einem frischen, offenen Lächeln. »Soweit man die Mafia überhaupt erklären kann. Ja natürlich, da fällt mir ein, ich hätte mich wohl auch freikaufen können. Geld ist schließlich alles, was die wollen, nicht? In diesem Fall bin ich mir allerdings nicht so sicher, weil es für die speziell gegen mich ging.«
Simone wurde neugierig, was ihre Abneigung gegen Tom jedoch keineswegs minderte. Sie war einen Schritt zurückgetreten.
»Könnten wir nicht vielleicht ins Wohnzimmer gehen?«
Simone ging voran, Georges folgte ihnen. Er sah Tom unentwegt an. Simone wies auf das Sofa. Tom setzte sich und tätschelte das schwarze Leder; er wollte ihr ein Kompliment zu dem Chesterfield machen und tat es dann doch nicht.
»Ja, speziell gegen mich«, wiederholte er. »Ich – sehen Sie, ich war zufällig, rein zufällig im selben Zug wie Ihr Mann, als er neulich aus München zurückfuhr. Von einem Arztbesuch, Sie wissen schon.«
»Ja.«
»Muniche!« Georges strahlte über das ganze Gesicht, als freue er sich auf eine Geschichte.
Tom lächelte ihn an. » Muniche. – Alors, in diesem Zug… Ich hatte da meine Gründe, und ich will Ihnen offen gestehen, Madame, daß ich ab und zu das Gesetz in die [331] eigene Hand nehme, genau wie die Mafia, nur mit dem Unterschied, daß ich keine ehrlichen Menschen erpresse, daß ich Leuten kein Schutzgeld abknöpfe, die nie Schutz bräuchten, würde ich sie nicht bedrohen.« Das war so abstrakt, daß Georges ihm bestimmt nicht folgen konnte, auch wenn ihn der Junge nicht aus den Augen ließ.
»Worauf wollen Sie hinaus?« fragte Simone.
»Darauf, daß ich in dem Zug eines dieser Schweine getötet und das andere schwer verletzt habe. Ich habe den Kerl aus dem Zug gestoßen, Jon war dabei und hat mich gesehen. Verstehen Sie…« Nur kurz ließ er sich von dem Entsetzen beirren, das Simone ins Gesicht geschrieben stand, von ihrem ängstlichen Blick zu Georges hinüber, der die Geschichte aufmerksam verfolgte und vielleicht glaubte, mit den »Schweinen« seien richtige Tiere gemeint oder Tom denke sich das alles nur aus. »Sehen Sie, ich hatte Zeit, Jonathan meine Lage zu erklären. Wir standen zwischen zwei Wagen im fahrenden Zug. Jonathan hat nur für mich Schmiere gestanden, mehr nicht. Doch dafür bin ich ihm dankbar. Er hat mir geholfen. Und zwar, wie Sie hoffentlich einsehen werden, für einen guten Zweck. Denken Sie nur daran, wie schwer es die französische Polizei im Süden hat, unten in Marseille, wo sie die Drogenhändler der Mafia bekämpft. Oder es wenigstens versucht. Aber bei diesen Leuten, das wissen Sie, muß man immer damit rechnen, daß sie gefährlich zurückschlagen. Genau das ist gestern nacht passiert. Ich…« Sollte er zugeben, daß er Jonathan um Hilfe gebeten hatte? Ja. »Es ist einzig und allein meine Schuld, daß Jonathan in meinem Haus war. Ich hatte ihn nämlich gefragt, ob er mir noch einmal helfen würde.«
[332] Simone wirkte verstört und
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