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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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vergebens nach ihm verlangt.
    Simone hatte den Einkaufskorb abgesetzt. »Was haben Sie mit meinem Mann gemacht? Er ist nicht mehr derselbe, seit – seit er Sie getroffen hat, M’sieur! Wenn Sie ihn nicht in Ruhe lassen, dann werde ich…«
    Wäre ihr Sohn nicht dabeigewesen, hätte sie wohl gesagt, dann werde sie ihn umbringen.
    Sie nahm sich zusammen und fragte verbittert: »Warum nur haben Sie Macht über ihn?«
    »Das habe ich nicht und das hatte ich nie. Außerdem ist die Sache nun wohl erledigt«, sagte Tom. »Ich kann das jetzt unmöglich erklären.«
    »Was für eine Sache?« fragte Simone. Bevor Tom antworten konnte, fuhr sie fort: » M’sieur, Sie sind ein Verbrecher, und Sie führen andere ins Verderben! Womit haben Sie ihn erpreßt? Und warum?«
    Erpressung, hatte sie gesagt, chantage … Das war so abwegig, daß Tom anfangs nur stammeln konnte. »Madame, niemand nimmt Geld von Jonathan. Oder sonst etwas. Ganz im Gegenteil. Und er hat nichts getan, was anderen Macht über ihn geben könnte.« Tom sprach aus tiefstem Herzen, und das mußte er auch, denn Simone war das Sinnbild der tugendhaften, rechtschaffenen Ehefrau, wie sie ihm jetzt mit zornig funkelnden Augen und tief gerunzelter Stirn entgegentrat, so mächtig wie Nike, die geflügelte Siegesgöttin von Samothrake. »Wir haben die Nacht mit [324]  Saubermachen verbracht.« Dabei kam er sich schäbig vor. Auf einmal verließ ihn sein sonst so beredtes Französisch. Mit solchen Worten war er der tugendhaften Gefährtin vor ihm nicht gewachsen.
    »Saubermachen?« Sie bückte sich und nahm den Korb auf. » M’sieur, ich wäre Ihnen verbunden, wenn Sie jetzt gehen würden. Danke, daß Sie mir gesagt haben, wo mein Mann ist.«
    Tom nickte. »Wenn Sie wollen, fahre ich Sie und Georges gern zum Krankenhaus. Mein Wagen steht gleich vor der Tür.«
    »Merci, non.« Sie stand mitten im Flur, blickte über die Schulter zurück und wartete darauf, daß er das Haus verließ. »Komm, Georges!«
    Tom ging hinaus und stieg ins Auto. Er dachte daran, beim Krankenhaus vorbeizufahren und nach Jonathan zu fragen, Simone würde mindestens zehn Minuten dorthin brauchen, ob nun zu Fuß oder per Taxi. Doch dann beschloß er, von Belle Ombre aus anzurufen. Er fuhr nach Hause. Dort angekommen, wollte er nicht mehr anrufen. Inzwischen könnte Simone bei ihm sein. Hatte Jonathan nicht gesagt, eine Transfusion dauere mehrere Stunden? Er hoffte nur, diese Krise sei nicht der Anfang vom Ende.
    Im Radio suchte er France Musique, damit er sich weniger allein fühlte, zog die Vorhänge auf, ließ die Sonne herein, räumte die Küche auf. Er goß sich ein Glas Milch ein, ging hinauf, zog den Pyjama wieder an und schlüpfte zwischen die Laken. Rasieren konnte er sich nach dem Aufstehen.
    Hoffentlich konnte Jonathan sich mit Simone [325]  versöhnen. Doch die Frage blieb: Was hatte die Mafia mit alledem zu tun? Und welche Verbindung gab es zwischen ihr und zwei deutschen Ärzten?
    Über diesem unlösbaren Problem döste Tom ein. Und dann war da noch Reeves. Wie erging es ihm dort unten in Ascona? Reeves, der Tollkopf… Nach wie vor mochte er den Mann, ganz tief drinnen. Reeves tat nicht immer das Richtige, aber er hatte das Herz, das verrückte Herz, auf dem rechten Fleck.
    Simone saß neben dem Bett, auf dem Jonathan lag – eine flache Liege, mehr Räder als Bett. Durch eine Kanüle floß Blut in seine Armvene. Wie immer vermied er jeden Blick auf die Blutkonserve. Simone schien ihm zutiefst verbittert zu sein. Sie hatte mit der Schwester gesprochen, aber außer Hörweite, und wenn sie etwas über seinen Zustand erfahren hatte, dann jedenfalls nichts Ernstes, sonst wäre sie besorgter und liebevoller gewesen. Sein Kopf ruhte auf einem Kissen, eine weiße Decke wärmte ihn von der Hüfte abwärts.
    »Und du trägst auch noch den Pyjama dieses Mannes«, sagte Simone.
    »Schatz, irgendwas mußte ich zum Schlafen doch anziehen. Wir sind erst gegen sechs Uhr morgens zu Hause gewesen…« Erschöpft und verzweifelt brach er ab. Simone hatte ihm erzählt, Tom sei vorbeigekommen, um ihr zu sagen, wo sie ihn finde. Und daß sie daraufhin wütend geworden sei. Jonathan hatte sie noch nie so verbittert erlebt. Tom war ihr zuwider, als wäre er Henri Landru, der Massenmörder, oder Svengali. »Wo ist Georges?« fragte er.
    [326]  »Ich habe Gérard angerufen. Yvonne und er kommen um halb elf vorbei. Georges wird ihnen aufmachen.«
    Sie würden auf Simone warten und dann alle gemeinsam nach

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