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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Jonathan wich nach links aus und ging dann an der Gruppe um Bianca vorbei zur Treppe. Ein Mann schrie: »Polizei!« Jonathan ging schnell, doch nicht schneller als einige andere, die nach oben zum Ausgang strebten.
    Er trat hinaus, ans Tageslicht, ging einfach weiter, geradeaus, mäßig schnell, zielstrebig ins Leere. Zu seiner Rechten ein riesiger Bahnhof, den hatte Reeves erwähnt. Keine [113]  Schritte hinter ihm, nichts von einer Verfolgung. Mit der Rechten streifte er den abgeschnittenen Nylonstrumpf ab; so nahe der U-Bahn-Station wollte er ihn nicht wegwerfen.
    »Taxi!« Jonathan hatte eines gesehen, das frei war und in Richtung Bahnhof fuhr. Die Taxe hielt, er stieg ein und nannte dem Fahrer die Straße seines Hotels.
    Jonathan lehnte sich zurück, doch er konnte nicht anders, als andauernd nach beiden Seiten durch die Fenster zu spähen, als rechne er jeden Augenblick damit, einen Polizisten zu sehen, der wild gestikulierend auf das Taxi zeigte und den Fahrer anhalten wollte. Unsinn! Nichts konnte ihm mehr passieren, gar nichts.
    Und doch überkam ihn beim Betreten des Hotels Viktoria wieder das gleiche Gefühl – daß die Polizei irgendwie seine Adresse ausfindig gemacht haben und in der Halle auf ihn warten könnte. Aber nein: Unbehelligt ging er auf sein Zimmer und schloß die Tür. Er suchte in der Tasche, in der Jackentasche, nach dem Strumpfstück. Es war weg, unterwegs irgendwo rausgefallen.
    Zwanzig nach sieben. Jonathan zog den Mantel aus, warf ihn über einen Polstersessel und holte sich seine Zigaretten, die er vergessen hatte mitzunehmen. Tief sog er den beruhigenden Rauch einer Gitane ein. Im Badezimmer legte er die Zigarette auf dem Beckenrand ab, wusch sich Gesicht und Hände, zog dann Hemd und Jackett aus, nahm einen Waschlappen und wusch sich auch den Oberkörper mit heißem Wasser.
    Als er gerade in einen Pullover schlüpfte, klingelte das Telefon.
    »Ein Herr Karl wartet hier unten auf Sie, Sir.«
    [114]  Jonathan ging hinunter. Den Mantel trug er über dem Arm. Er wollte ihn Reeves zurückgeben, ihn sofort loswerden.
    »Einen wunderschönen guten Abend, Sir!« Karl strahlte, als habe er schon gehört, was passiert war, und finde es gut.
    Im Wagen zündete sich Jonathan eine zweite Zigarette an. Heute war Mittwoch: Er hatte Simone geschrieben, vielleicht sei er schon heute abend wieder zurück, aber wahrscheinlich bekam sie seinen Brief erst morgen früh. Er dachte an die beiden Bücher aus der Stadtbibliothek neben der Kirche von Fontainebleau, die er bis Samstag zurückbringen mußte.
    Wieder stand er in Minots gemütlicher Wohnung. Er reichte diesmal Reeves, nicht Gaby, seinen Mantel, ihm war nicht wohl in seiner Haut.
    »Wie geht es Ihnen, Jonathan?« Reeves klang angespannt und besorgt. »Wie war’s?«
    Gaby verschwand. Jonathan und Reeves standen im Wohnzimmer.
    »Soweit ganz gut«, gab Jonathan zurück.
    Reeves lächelte: nur die Andeutung eines Lächelns, doch sein Gesicht strahlte. »Sehr gut! Wunderbar! Sehen Sie, ich hatte noch nichts gehört. Darf ich Ihnen ein Glas Sekt anbieten, Jonathan? Oder lieber einen Scotch? Setzen Sie sich.«
    »Lieber Scotch.«
    Über die Flaschen gebeugt, fragte Reeves leise: »Wie oft… Wie viele Schüsse, Jonathan?«
    »Einer.« Und wenn er nun nicht tot war? durchfuhr es [115]  Jonathan. War das nicht immerhin denkbar? Jonathan nahm den Scotch, den Reeves ihm reichte.
    Reeves hob das Sektglas, prostete Jonathan schweigend zu und trank. »Keine Probleme? Hat Fritz seine Sache gut gemacht?«
    Jonathan nickte, mit einem kurzen Blick zur Tür, durch die jeden Moment Gaby kommen konnte. »Hoffentlich ist er tot. Ich mußte gerade denken, was ist, wenn er’s überlebt hat, wenn er gar nicht tot ist?«
    »Und selbst wenn nicht, es reicht bestimmt. Sie haben ihn fallen sehen?«
    »O ja.« Jonathan seufzte auf und merkte, daß er seit einer Weile kaum geatmet hatte.
    »Womöglich wissen die in Mailand schon, was passiert ist«, fuhr Reeves gut gelaunt fort. »Eine italienische Pistole. Nicht daß die Mafia immer italienische Waffen benutzt, doch ich fand, das paßte. Der Kerl gehörte zur Di-Stefano-Familie. Inzwischen sind auch einige Genottis in Hamburg, und wir hoffen auf einen Bandenkrieg.«
    Das hatte er schon einmal gesagt. Jonathan setzte sich auf das Sofa. Reeves ging auf und ab und sonnte sich in seinem Glück. »Wenn es Ihnen recht ist, machen wir uns hier einen ruhigen Abend«, sagte er. »Wenn jemand anruft, sagt Gaby einfach, ich bin

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