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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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nicht zu Hause.«
    »Weiß Karl oder Gaby… Wieviel wissen die beiden?«
    »Gaby weiß gar nichts. Und bei Karl ist es egal, ob er etwas weiß. Es interessiert ihn einfach nicht. Außer für mich arbeitet er noch für andere Leute, und ich bezahle ihn gut. Ist besser für ihn, nichts zu wissen, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    [116]  Jonathan verstand schon, aber ihm wurde deswegen nicht wohler. »Übrigens würde ich morgen gern nach Frankreich zurückkehren.« Das bedeutete zweierlei: Reeves sollte ihm noch heute abend das Geld geben oder die Bezahlung veranlassen, und jeder weitere Auftrag mußte heute abend besprochen werden. Jonathan war fest entschlossen, jeden weiteren Auftrag abzulehnen, egal wie die Sache finanziell aussah; allerdings fand er, für seine Tat stehe ihm die Hälfte der vierzigtausend Pfund zu.
    »Wenn Sie wollen, warum nicht«, meinte Reeves. »Nur denken Sie an den Termin morgen vormittag.«
    Aber Jonathan wollte nicht noch einmal zu Dr.   Wentzel gehen. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Der Befund war schlecht, sein Zustand noch schlechter. Und zudem verkörperte Dr.   Wentzel mit seinem Walroßschnäuzer für Jonathan gewissermaßen die Autorität schlechthin, und er spürte, daß es gefährlich werden könnte, Wentzel noch einmal gegenüberzutreten. Er dachte nicht logisch, das wußte er, doch er wurde das ungute Gefühl nicht los. »Eigentlich gibt es keinen Grund mehr, noch einmal zu ihm zu gehen. Ich bleibe sowieso nicht länger. Morgen früh sage ich den Termin ab. Die Rechnung kann er mir nach Fontainebleau schicken. Meine Adresse dort hat er.«
    Reeves lächelte. »Sie können aus Frankreich keine Franc ins Ausland überweisen. Wegen der Rechnung machen Sie sich bitte keine Sorgen. Schicken Sie sie einfach an mich.«
    Jonathan ließ die Sache auf sich beruhen. Minots Namen auf einem Scheck an Wentzel, das wollte er allerdings ganz und gar nicht. Zur Sache jetzt, mahnte er sich, [117]  nämlich zum Geld, das Reeves ihm zu zahlen hatte. Statt dessen lehnte er sich zurück und fragte liebenswürdig: »Was tun Sie hier – ich meine Ihre Arbeit?«
    »Arbeit…« Reeves zögerte, doch die Frage brachte ihn keineswegs aus der Fassung. »Verschiedenes. Zum Beispiel bin ich für New Yorker Kunsthändler tätig. All die Bücher dort…« Er deutete auf die unterste Reihe im Bücherregal. »Kunstbücher, vor allem deutsche Bilder, mit Namen und Adressen der Eigentümer. Deutsche Maler sind in New York sehr gefragt. Dann schaue ich mir natürlich die jungen Maler vor Ort an und empfehle sie Galerien und Sammlern in den Staaten. Sie würden sich wundern, wieviel allein nach Texas geht.«
    Jonathan wunderte sich tatsächlich. Wenn das alles stimmte, beurteilte Reeves Minot Bilder mit der Kälte eines Geigerzählers. Womöglich auch mit Sachverstand? Jonathan war aufgefallen, daß das Bild über dem Kamin, eine Szene mit einem alten, offenbar im Sterben liegenden Menschen (Mann oder Frau?) in einem Bett, tatsächlich ein Derwatt war, sicher ein sehr wertvolles Stück. Allem Anschein nach gehörte es ihm.
    »Eine Neuerwerbung«, sagte Reeves, der Jonathans Blick gefolgt war. »Ein Geschenk… Sagen wir, von einem dankbaren Freund –« als wolle er mehr sagen, habe sich dann aber anders besonnen.
    Beim Abendessen wollte Jonathan erneut auf das Geld zu sprechen kommen und brachte es wieder nicht fertig. Sein Gastgeber redete über andere Dinge: Schlittschuhlaufen auf der Alster im Winter, Fahrten mit Eisseglern, die so schnell waren wie der Wind und manchmal [118]  zusammenstießen. Erst als sie fast eine Stunde später auf dem Sofa beim Kaffee saßen, sagte Reeves:
    »Heute abend kann ich Ihnen nur fünftausend Franc geben. Eine lächerliche Summe, nicht mehr als ein Taschengeld.« Reeves ging zu seinem Sekretär und zog eine Schublade auf. »Aber wenigstens sind es Franc.« Mit den Banknoten in der Hand kam er zurück. »Ich könnte Ihnen heute abend noch dieselbe Summe in Mark besorgen.«
    Jonathan wollte keine Mark, die er in Frankreich wechseln müßte. Die Franc waren Hunderter, gebündelt zu je zehn Noten, so wie französische Banken sie ausgaben. Reeves legte die fünf Bündel auf den Couchtisch, doch Jonathan rührte sie nicht an.
    »Sehen Sie, mehr bekomme ich erst, wenn die anderen ihren Teil beigesteuert haben. Vier oder fünf Leute sind das«, fuhr Reeves fort. »Aber ich bekomme die Summe zusammen, soviel ist sicher.«
    Jonathan schoß ein Gedanke durch den Kopf

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