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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Mal bliebe oder er beim ersten geschnappt würde.
    »Aber Sie tun es doch, oder?« fragte Minot, der sich die Lippen mit einer frischgestärkten weißen Serviette abtupfte, und meinte, am Abend auf den Mann schießen.
    »Wenn mir etwas zustößt«, sagte Jonathan, »sorgen Sie dann dafür, daß meine Frau das Geld bekommt?«
    »Was soll Ihnen schon zustoßen?« Minots Narbe zuckte, als er lächelte. »Ja, ich sorge dafür, daß Ihre Frau das Geld bekommt.«
    »Aber wenn trotzdem etwas passiert? Oder wenn nur einer erschossen werden soll?«
    Reeves preßte die Lippen zusammen, als wolle er die Frage lieber nicht beantworten. »Dann gibt es das halbe Geld. Doch ehrlich gesagt, zwei sind wahrscheinlicher. Die volle Summe wird nach dem zweiten Mann fällig. – Aber das ist ja wunderbar!« Er lächelte – das erste Mal, daß Jonathan ihn ungezwungen lächeln sah. »Heute abend werden Sie sehen, wie leicht es ist. Und danach feiern wir, sofern Ihnen danach ist.«
    Er klatschte über dem Kopf in die Hände. Eine triumphierende Geste, dachte Jonathan, doch es war ein Signal an Gaby.
    Sie kam und räumte die Teller weg.
    Zwanzigtausend Pfund: Keine allzu eindrucksvolle Summe, aber besser als ein toter Mann plus Bestattungskosten.
    [108]  Kaffee. Dann zum Zoo. Die beiden Tiere, die Reeves ihm zeigen wollte, ähnelten kleinen, nußbraunen Bären. Eine kleine Menschenmenge stand vor dem Gehege, so daß Jonathan die Tiere nie gut zu sehen bekam. Sie interessierten ihn auch nicht. Dafür konnte er einige Löwen beobachten, die scheinbar frei umherspazierten. Reeves sorgte sich, Jonathan könne müde werden. Es war fast vier Uhr.
    Zurück in seiner Wohnung, bestand Reeves darauf, daß Jonathan eine winzige weiße Pille einnahm, ein »mildes Beruhigungsmittel«, wie er sagte.
    »Aber ich brauche doch keins«, protestierte Jonathan. Er war völlig ruhig, fühlte sich sogar richtig wohl.
    »Ist besser so, glauben Sie mir!«
    Jonathan schluckte die Pille. Reeves sagte, er solle sich für ein Weilchen im Gästezimmer hinlegen. Hellwach lag er auf dem Bett. Um fünf kam Reeves herein und sagte, bald werde es Zeit, sich von Karl zum Hotel fahren zu lassen. Jonathan hatte seinen Mantel dort. Reeves reichte ihm eine Tasse Tee mit Zucker: Sie schmeckte ganz normal, also war es wohl tatsächlich nur Tee. Dann gab ihm Reeves die Pistole und zeigte noch einmal auf den Sicherungshebel. Jonathan steckte die Waffe in die Hosentasche.
    »Bis heute abend also!« sagte Reeves gut gelaunt.
    Karl fuhr Jonathan zum Hotel zurück. Er werde warten, sagte er. Jonathan blieben wohl fünf oder zehn Minuten. Er putzte sich die Zähne – mit Seife, denn die Zahnpasta hatte er bei Simone und Georges gelassen und noch keine neue gekauft –, dann zündete er sich eine Gitane an und blickte aus dem Fenster, bis er merkte, daß er nichts wahrnahm, ja nicht einmal etwas dachte. Er ging zum Schrank und holte [109]  den weitgeschnittenen Mantel heraus. Der Mantel war nicht mehr neu, doch noch nicht abgetragen. Wem mochte er gehört haben? Wie passend, dachte Jonathan, konnte er doch so tun, als spiele er eine Rolle in einem Stück, in den Kleidern eines anderen, und als sei die Pistole nur eine Attrappe. Aber Jonathan wußte genau, was er tat und daß er sich nichts vormachen konnte. Für den Mafioso, den er – hoffentlich – töten würde, empfand er kein Mitleid. Und auch für sich selbst nicht: Tod war gleich Tod. Biancas und sein eigenes Leben waren wertlos geworden, wenn auch aus verschiedenen Gründen. Nur daß Jonathan Geld dafür bekam, daß er Bianca umbrachte. Jonathan steckte die Pistole zusammen mit dem Nylonstrumpf in seine Jackentasche. Er merkte, daß er den Strumpf mit den Fingern nur einer Hand überstreifen konnte. Nervös wischte er mit dieser Hand echte und eingebildete Fingerabdrücke von der Waffe. Beim Feuern würde er den Mantel ein Stückchen zur Seite halten müssen, wollte er ein Durchschußloch im Mantel vermeiden. Einen Hut hatte er nicht. Merkwürdig, daß Reeves nicht daran gedacht hatte. Nun war es zu spät, sich darüber den Kopf zu zerbrechen.
    Jonathan ging hinaus und zog die Zimmertür fest hinter sich zu.
    Karl stand auf dem Gehweg neben dem Auto. Er hielt Jonathan die Wagentür auf. Wieviel wußte Karl? Womöglich alles? Jonathan beugte sich auf der Rückbank vor und wollte Karl gerade bitten, zur U-Bahn-Station Rathaus zu fahren, als dieser über die Schulter sagte:
    »Sie sollen Fritz an der Station Rathaus treffen,

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