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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Schlag ins Blaue. Tom wandte den Blick ab, hörte die Tür zum Speisewagen quietschen und das ersehnte zweimalige Klopfen. Diesmal öffnete er die Tür nur einen Spalt weit.
    »Freie Bahn, denke ich«, sagte Jonathan.
    Tom trat gegen die WC -Tür, so daß sie ganz aufschwang, gegen Marcangelos Schuhe schlug, und gab Jonathan ein Zeichen, die Zugtür zu öffnen. Es ging aber nur gemeinsam: Jonathan mußte Tom mit dem schweren Mann helfen, und es dauerte, bis sie die Tür ganz geöffnet hatten, weil sie gegen den Fahrtwind immer wieder zuschlug. Sie warfen Marcangelo kopfüber aus dem Zug. Tom wollte ihm noch einen letzten Tritt verpassen, traf ihn aber nicht mehr, weil der Körper schon auf dem Schotter neben den Gleisen aufgeschlagen war, so nahe, daß Tom einzelne Steine und Grashalme ausmachen konnte. Er hielt Jonathan am rechten Arm fest, der nach dem Türgriff angelte, bis er ihn zu fassen bekam.
    Tom zog die Toilettentür zu. Ganz außer Atem, versuchte er, äußerlich ruhig zu erscheinen. »Gehen Sie zu Ihrem Platz zurück, steigen Sie in Straßburg aus«, sagte er. »Die werden sich jeden im Zug hier genau anschauen.« Nervös tätschelte er Jonathans Arm. »Viel Glück, mein Freund.« Tom sah zu, wie Jonathan die Tür zum Gang aufzog.
    Tom wollte in den Speisewagen, doch eine kleine Gruppe kam ihm entgegen, und er mußte beiseite treten, bis ihn die vier lachend und schwatzend passiert hatten. Endlich ging er hinein und setzte sich an den ersten freien Tisch, [176]  mit Blick auf die Tür, durch die er gerade gekommen war. Jeden Augenblick mußte der zweite Leibwächter auftauchen. Er griff nach der Speisekarte und warf einen kurzen Blick auf das Menü: Weißkohlsalat, Gulaschsuppe, Wurstsalat… Die Speisekarte war deutsch, englisch und französisch gehalten.
    Auf seinem Weg durch den Gang von Marcangelos Wagen kam Jonathan der zweite Leibwächter entgegen. Der Italiener stieß ihn rüde beiseite und ging weiter. Jonathan war froh, daß er noch leicht benommen war, sonst wäre er bei der Berührung womöglich erschrocken zusammengezuckt. Die Zugpfeife ertönte, einmal lang, zweimal kurz. Ob das etwas zu bedeuten hatte? Jonathan kehrte zu seinem Platz zurück und setzte sich, ohne den Mantel auszuziehen und ohne die vier anderen im Abteil anzusehen. Auf seiner Uhr war es 17   :   31. Mehr als eine Stunde schien es her, daß er zuletzt auf die Uhr geschaut hatte, und da war es kurz nach fünf gewesen. Jonathan rutschte hin und her, schloß die Augen, räusperte sich: Er stellte sich vor, wie der Leibwächter und Marcangelo unter den Zug rollten und von den Rädern zerfetzt wurden. Aber vielleicht waren sie gar nicht unter die Räder geraten? War der Leibwächter überhaupt tot? Vielleicht hatte man ihn gerettet, dann konnte er Tom und ihn genau beschreiben. Warum hatte Tom ihm geholfen? Sollte er das überhaupt helfen nennen? Was versprach Ripley sich davon? Der Amerikaner hatte ihn jetzt in der Hand, das war klar. Wahrscheinlich wollte er aber nur Geld. Oder stand ihm Schlimmeres bevor? Erpressung vielleicht? Die hatte viele Gesichter.
    Ob er versuchen sollte, noch am Abend einen Flug von [177]  Straßburg nach Paris zu bekommen? Oder sollte er sich ein Zimmer nehmen? Was war sicherer? Und sicherer vor wem, der Mafia oder der Polizei? Womöglich hatte jemand aus dem Fenster geschaut und einen der Körper, vielleicht auch beide, aus dem Zug fallen sehen? Oder waren sie nicht zu sehen gewesen, weil es zu nahe am Zug passiert war? Hätte jemand etwas gesehen, wäre der Zug trotzdem weitergefahren, doch könnte die Meldung wohl über Funk durchgegeben werden. Argwöhnisch spähte Jonathan den Gang entlang, ob ein Mann von der Zugwache durchging oder es irgendwelche Anzeichen für Aufregung gab, aber er sah nichts.
    Unterdessen hatte Tom Gulaschsuppe und eine Flasche Carlsberg bestellt, las seine Zeitung, die gegen den Senftopf lehnte, und knabberte an einem knusprigen Brötchen. Außerdem amüsierte er sich über den aufgeregten Italiener, der zuerst geduldig vor dem besetzten WC gewartet hatte, bis zu seiner Überraschung eine Frau herausgekommen war. Nun spähte der Mann schon zum zweitenmal durch die zwei Halbglastüren in den Speisesaal. Da kam er: Noch bemüht gelassen, schlenderte er auf der Suche nach seinem Capo, seinem Kumpan oder beiden durch den ganzen Speisewagen, als erwarte er, Marcangelo tot unter einem der Tische zu finden oder bei einem Schwätzchen mit dem Koch am anderen Ende des

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