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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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erschienen war, selbst sie waren angeblich wirklicher als die Mafia. Na klar! Tom spülte sich den Mund aus, spuckte ins Becken, ließ Wasser nachlaufen und ging hinaus.
    Vor der Tür stand nur Jonathan, der eine Zigarette rauchte, sie aber sofort fallen ließ, wie ein Soldat, der unter den Augen eines vorgesetzten Offiziers nicht nachlässig wirken will. Tom lächelte ihm beruhigend zu und stellte sich mit dem Gesicht zum Fenster neben ihn.
    »Sie sind nicht zufällig vorbeigekommen?« Er wollte nicht durch die beiden Türen in den Speisewagen spähen.
    »Nein.«
    »Kann sein, daß wir bis hinter Straßburg warten müssen, ich hoffe aber nicht.«
    Eine Frau kam aus dem Speisewagen. Sie hatte Mühe mit den Türen, und Tom sprang hinzu, die zweite Tür für sie zu öffnen.
    »Danke schön«, sagte sie.
    »Bitte«, erwiderte Tom.
    Er schlenderte zur anderen Seite hinüber und zog eine Herald Tribune aus der Jackentasche. Es war jetzt elf nach fünf. Um 18   :   33   Uhr sollten sie in Straßburg ankommen. Vermutlich hatten die Italiener ausgiebig zu Mittag gegessen und würden den Speisewagen gar nicht betreten.
    [170]  Ein Mann betrat die Toilette.
    Jonathan schaute wieder in sein Buch, spürte aber Toms Blick und sah auf. Tom lächelte wieder. Als der Mann herauskam, ging Tom zu Jonathan hinüber. Zwei Männer standen im Wagengang, nur wenige Meter entfernt. Der eine rauchte eine Zigarre, beide schauten aus dem Fenster, keiner achtete auf Jonathan und ihn.
    »Ich sehe zu, daß ich ihn im Klo erwische«, sagte Tom. »Dann müssen wir ihn rauswerfen.« Mit dem Kopf wies er auf die Tür neben der Toilette. »Wenn ich mit ihm drin bin, klopfen Sie zweimal an die Tür, sobald die Luft rein ist. Dann heißt es, hiev an und über Bord mit ihm, so schnell es geht.« Lässig zündete Tom sich eine Gauloise an und gähnte betont langsam.
    Jonathans panische Angst hatte ihren Höhepunkt erreicht, als Tom im WC verschwunden war. Nun legte sie sich ein bißchen. Tom wollte das Ding durchziehen. Warum, konnte er sich im Moment nicht erklären. Auch wurde er das Gefühl nicht los, Tom könnte die Sache vielleicht absichtlich verpatzen und ihn den Kopf dafür hinhalten lassen. Doch wieso? Wahrscheinlich wollte Tom Ripley vielmehr einen Teil des Geldes, womöglich gar den ganzen Rest. In diesem Augenblick war Jonathan das einfach egal. Es war unwichtig. Tom wirkte jetzt selbst ein bißchen besorgt, wie er da an der Wand gegenüber der Toilette lehnte, die Zeitung in der Hand, ohne hineinzuschauen.
    Dann sah Jonathan zwei Männer auf sie zukommen. Der hintere war Marcangelo, der vordere kein Italiener. Jonathan sah zu Tom hinüber, der sofort aufblickte, und nickte einmal.
    [171]  Der erste Mann schaute sich um, fand das WC und trat ein. Marcangelo ging an Jonathan vorbei, sah, daß besetzt war, drehte sich um und kehrte in den Gang zurück. Tom grinste Jonathan zu und breitete die Arme aus, als wollte er sagen: »Verflucht, der ist uns durch die Lappen gegangen.«
    Jonathan hatte Marcangelo unmittelbar vor sich: Der Mann wartete im Gang, wenige Meter entfernt, und schaute zum Fenster hinaus. Marcangelos Leibwächter in der Mitte des Wagens konnten nicht wissen, daß Marcangelo warten mußte; durch die Verzögerung würden sie schneller argwöhnisch werden, falls er nicht zurückkam. Jonathan nickte Tom zu. Er hoffte, Tom würde begreifen, was er ihm damit sagen wollte: daß Marcangelo in der Nähe wartete.
    Der andere Mann trat aus der Toilette und kehrte in den Wagen zurück.
    Jetzt kam Marcangelo. Jonathan blickte zu Tom hinüber, doch der war in seine Zeitung vertieft.
    Tom wußte, daß der untersetzte Mann, der jetzt das Wagenende erreicht hatte und genau vor ihm stand, wiederum Marcangelo war, sah aber nicht auf. Der Mann öffnete die Tür zur Toilette, und Tom sprang vor, als wolle er sich vor dem anderen hineindrängen, warf Marcangelo aber zugleich die Schlinge über den Kopf, um den Schrei zu ersticken, schleifte ihn in den kleinen Raum, zog dabei blitzschnell an der Garrotte – wie der rechte Cross eines Boxers – und schloß die Tür hinter sich. Heftig riß er erneut an der Garrotte, einer Waffe, die Marcangelo in seiner besten Zeit selber benutzt haben dürfte, und sah die [172]  Nylonschnur in dem fleischigen Hals des Mannes verschwinden. Tom schlang die Schlinge hinter dem Nacken einmal um die Hand und zog noch fester zu; mit der Linken legte er den Hebel um, der die Tür verriegelte. Das Gurgeln erstarb,

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