Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)
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Genetisch veränderte Lebensmittel
Viele Lebensmittelängste beruhen nicht auf persönlicher Erfahrung, sondern sind gesellschaftlich vermittelt. Vor dem Backen werden die köstlichen Laugenbrezeln kurz in eine Natronlauge (Lösung von Natriumhydroxid in Wasser) getaucht. Dieses Verfahren wird von der US -amerikanischen Gesundheitsbehörde ( FDA ) eingeschränkt, weil die Lauge als gefährlich eingestuft wird. Nun ist dieses Verfahren aber genau das, was die Besonderheit – Geschmack und Kruste – der Brezeln ausmacht. In Frankreich gelten Rohmilch und Rohmilchkäse als Maßstab für qualitativ hochwertige Milchprodukte, auch einige der besten italienischen Käsesorten werden aus Rohmilch hergestellt. Bei den dortigen Küchentraditionalisten gilt Käse aus pasteurisierter Milch als eine Beleidigung des guten Geschmacks. Die FDA dagegen warnt vor dem Verzehr von nicht pasteurisierter Milch und Weichkäse aus solcher Milch. In Kanada ist der Verkauf von Rohmilch sogar verboten.
Nun könnte man daraus schließen, dass die Europäer bei der Wahl ihrer Lebensmittel risikobereiter als die Nordamerikaner sind. Doch bei genetisch veränderten Lebensmitteln ist die Rollenverteilung umgekehrt. Europäer wie Japaner sind eher bestrebt, gentechnisch veränderte Nahrung zu meiden, während Amerikaner sie schlucken, ohne mit der Wimper zu zucken. Europäer sind geneigt, genetisch veränderte Lebensmittel als ein riskantes Spiel mit der Natur, als Geschmacksbeeinträchtigung und Gesundheitsrisiko anzusehen. Diese Ängste sind nicht immer faktisch begründet. In einer repräsentativen Erhebung in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union wurde gefragt, ob die folgende Aussage wahr sei:
Gewöhnliche Tomaten enthalten keine Gene, während genetisch veränderte Tomaten welche besitzen.
Wahr
36 %
Falsch
41 %
Weiß nicht
23 %
Also nur 41 Prozent der Europäer wissen, dass auch gewöhnliche Tomaten Gene haben, während die übrigen glauben, die Natur produziere sie ohne Gene, oder es nicht wissen. 84 Wie sich die Mehrheit die Fortpflanzung von Gemüsesorten vorstellt, bleibt ein Geheimnis. Ein Teil der Furcht vor genetisch veränderten Lebensmitteln scheint in einer biologischen Ahnungslosigkeit verwurzelt zu sein.
Strahlung
Die Deutschen neigen dazu, sich vor Strahlung von Kernkraftwerken, Handys und Mammografie zu fürchten. Ähnlich ergeht es den Österreichern, während Franzosen und Amerikaner damit weniger Probleme haben. 1972 erbauten die Österreicher ihr erstes Kernkraftwerk nordwestlich von Wien am Donauufer. Der Bau dauerte sechs Jahre und kostete ungefähr eine Milliarde Euro. Als er vollendet war, durften die Österreicher in einem Referendum darüber abstimmen, ob er in Betrieb genommen werden sollte. Eine knappe Mehrheit von 50,5 Prozent entschied sich für Nein – überwiegend junge Österreicherinnen mit überdurchschnittlichem Bildungsniveau. Die betriebsbereite Anlage ging nie ans Netz. Dann folgte die Katastrophe von Tschernobyl, und in Österreich mussten Kopfsalat und Erdbeeren eingestampft werden. Das verstärkte die Kernkraftaversion des Landes. Die Anlage steht noch immer am Flussufer und ist zur Besichtigung freigegeben: das einzige Museum der Welt mit einem Modell eines Kernkraftwerks im Maßstab 1:1.
Nachdem Japan 2011 von einem Erdbeben der Stärke 9,0 und nachfolgend von einem Tsunami heimgesucht worden war, befassten sich die deutschen Medien mehr mit der potenziellen Strahlengefährdung als mit den Zehntausenden Japanern, die durch das Erdbeben und den Tsunami umgekommen waren oder verzweifelt nach Angehörigen suchten. Unter dem Einfluss einer German-Angst-Epidemie erlebte der hiesige Absatz von Geigerzählern und Jodpillen einen jähen Anstieg und wurden ältere Kernkraftwerke abgeschaltet. Der Schutz vor einer möglichen Kernschmelze nach einem wenig wahrscheinlichen Flugzeugabsturz oder terroristischen Angriff wurde in den Medien zur höchsten Priorität und zur politisch korrekten Botschaft. Selbst Politiker, die wenige Monate zuvor versichert hatten, es gebe keine Alternative zur Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke, waren plötzlich damit einverstanden, irgendwann alle Anlagen stillzulegen. In Zeiten der Knappheit müsse Deutschland dann vielleicht Elektrizität von den Kernkraftwerken der Nachbarländer wie Frankreich und der Tschechischen Republik
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