Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)
hereinzufallen, als einmal das Leben zu verlieren.
Die seltsamen Ängste, die andere Kulturen zeigen, würzen die Anekdoten von Globetrottern in aller Welt. Doch die Kulturen sind nicht mehr die isolierten Einheiten, die sie vor dem Zeitalter der Mobilität waren. Daher sind die Unterschiede nie absolut, sondern nur durchschnittliche Tendenzen, und es kann enorme Unterschiede innerhalb einer einzigen Kultur gegen. Die folgenden Geschichten sind unter diesem Vorbehalt zu betrachten.
Weihnachtskerzen
In Deutschland kennt man noch den Geruch brennender Kerzen an einem Weihnachtsbaum und den warmen Widerschein ihrer Lichter in glänzenden Kinderaugen. Schließlich will die Überlieferung, dass Martin Luther, von einem Sternenhimmel zu Heiligabend angeregt, als Erster auf die Idee kam, einen Baum mit Lichterkerzen zu schmücken. Viele Deutsche können sich kaum etwas Traditionelleres und Friedvolleres vorstellen als Wachskerzen, welche die Zweige ihrer Tannenbäume schmücken.
Nordamerikaner dagegen neigen bei dem gleichen Anblick zu hysterischen Anfällen, heimgesucht von der schrecklichen Vision, der Baum werde – samt dem Rest des Hauses – in Flammen aufgehen. Ich erinnere mich noch daran, dass mir ein Vater in Chicago erzählte, wie gefährlich Wachskerzen seien und wie unverantwortlich europäische Eltern sich zu Weihnachten verhielten. Wenig später zeigte er mit Stolz das Weihnachtsgeschenk für seinen 16-jährigen Sohn. Unter dem elektrisch beleuchteten Baum lag eine nagelneue Winchester Modell 70 Coyote Light Rifle, Kaliber 7 mm.
Kulturelle Unterschiede sind nicht ganz grundlos. Häuser in Deutschland sind fast immer aus Stein erbaut, während Häuser in den Vereinigten Staaten oft aus Holz sind, weshalb ein Feuer in ihnen größeren Schaden anrichten kann und dies auch tatsächlich tut. Der wirkliche Schaden ist jedoch relativ gering. Jährlich kommen rund zehn Deutsche zur Weihnachtszeit infolge von Bränden um, die durch den nachlässigen Umgang mit Wachskerzen entstehen, während ungefähr die gleiche Anzahl von Amerikanern an Unfällen stirbt, die durch elektrische Kerzen verursacht werden. Dazu gehören Kinder, die solche Leuchtkörper verschlucken, und Erwachsene, die elektrische Schläge und Verbrennungen durch fehlerhafte Lichterketten erleiden. 78 Eines haben beide Kulturen gemeinsam: die Überzeugung, dass ihre Tradition die richtige ist.
Lebendig begraben
Stellen sie sich vor, Sie würden im 19. Jahrhundert leben. Sie wären weder besonders reich noch arm, daher müssten Sie sich nicht um Nahrung, Kleidung und Unterkunft sorgen. Was wäre dann aller Wahrscheinlichkeit nach Ihr schlimmster Albtraum? Lebendig begraben zu werden – die gleiche Tragödie, die ihre Freunde befürchten würden. Damals war diese Furcht nicht unbegründet. So ein Vorzeitiges Begräbnis , wie es in Edgar Allan Poes gleichnamiger Horrorerzählung geschildert wird, war nicht nur das Produkt lebhafter poetischer Fantasie, sondern auch wirkliches Geschehen. Vor der Entwicklung von Elektrokardiografie und Elektroenzephalografie konnten Menschen, die gelähmt waren oder sich in Trancezuständen befanden, schon einmal für tot gehalten werden.
Im 17. Jahrhundert wurde Françoise, ein dreijähriges französisches Mädchen, auf hoher See für tot erklärt und in einen Sack genäht, um über Bord geworfen zu werden. Ein plötzliches Miauen verriet, dass sich ihre Lieblingskatze in den Sack geschmuggelt hatte. Als man die Katze aus dem Sack holte, stellte man fest, dass das Mädchen noch quietschlebendig war. Später wurde sie die zweite Frau des Sonnenkönigs Ludwig XIV . von Frankreich und Navarra, und starb im betagten Alter von 84 Jahren. 79 Ein Jahrhundert später öffnete ein Diener auf dem öffentlichen Friedhof von Orléans den Sarg einer Frau, um ihren Ring zu stehlen. Da er ihr ihn nicht vom Finger streifen konnte, beschloss er, den ganzen Finger abzuschneiden, was zur Folge hatte, dass die Frau infolge des Schmerzes wieder zu sich kam. Sie erschreckte den Dieb damit so sehr, dass er davonlief, kehrte nach Hause zurück und überlebte ihren Mann. Weniger Glück hatte ein Scharlachopfer, das Anfang des 19. Jahrhunderts exhumiert wurde. Bei dem erfolglosen Versuch, aus dem Sarg zu kommen, hatte der Mann die Vorderseite aus Glas zerschlagen, die Seiten eingetreten und war mit dem Gesicht nach unten und einer Handvoll Haare in seinen geballten Fäusten aufgefunden worden. Als eine Gruft im österreichischen Rudenberg 15
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