Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)
Minnesota Multiphasic Personality Inventory ) ist ein Fragebogen, mit dem man verschiedene psychische Störungen erfasst. Er misst Depression, Hypochondrie, Hysterie und andere Formen der Psychopathologie. Seit den 30er-Jahren wurde er Tausenden von Kindern und Jugendlichen in den USA vorgelegt, was einen Vergleich über einen längeren Zeitraum ermöglicht.
Die Entwicklung ist erstaunlich. Zwischen 1938 und 2007 sind die klinischen Punktzahlen der Collegestudenten ständig angestiegen, besonders in den Kategorien emotionale Verstimmung, Ruhelosigkeit, Unzufriedenheit und Instabilität (die sogenannte F-Skala). Je höher die Punktwerte, desto beherrschender werden diese Merkmale. Nehmen wir die Durchschnittswerte der Collegestudenten aus den 30er- und 40er-Jahren als Bezugsgröße. In den jüngeren Generationen erzielten fast alle Studenten – 94 von je 100 – höhere Werte! Ein ähnlicher Anstieg wurde bei unrealistisch positiver Selbsteinschätzung, Hyperaktivität und geringer Selbstkontrolle beobachtet. Nimmt man alle in dem Fragebogen verwendeten Skalen zusammen, so lagen 85 von je 100 Studenten mit ihrem Punktwert über der Bezugsgröße: Sie waren nicht nur narzisstischer, egozentrischer und antisozialer, sondern auch besorgter, trauriger und unzufriedener. Das ist das auf die Selbstbewertung der Studenten gestützte psychologische Profil der jüngeren amerikanischen Generationen. Was einst als seelisches Ungleichgewicht galt, ist zur Norm geworden.
Was verbirgt sich hinter diesem sich wandelnden emotionalen Profil? Vielleicht empfinden junge Menschen das moderne Universitätsleben als bedrückend und belastend: zum ersten Mal von zu Hause fort und unter starkem Druck stehend. Aber die gleichen Resultate wurden auch von Highschool-Schülern berichtet. Es wurden auch keine geschlechterspezifischen und regionalen Unterschiede festgestellt. Eine andere Erklärung könnte darin liegen, dass heute die Akzeptanz für depressive Verstimmungen oder Unruhe größer ist. Das erklärt zwar einen Teil der Veränderung, ändert aber nichts am Grundmuster. Die Ursache könnte auch wirtschaftlicher Natur sein: Möglicherweise folgt das psychologische Profil den großen wirtschaftlichen Auf- und Abschwüngen von der Großen Depression bis heute. Doch die tatsächlichen Anstiege haben wenig mit wirtschaftlichen Veränderungen oder Arbeitslosigkeit zu tun: Die Punktwerte der jungen Leute nehmen langsam und stetig zu, nicht in Wellen, die den Wirtschaftszyklen folgen. Tatsächlich war die Häufigkeit von Angst und Depression bei Kindern im Zweiten Weltkrieg, während des Kalten Krieges und während der stürmischen 60er- und 70er-Jahre geringer als heute.
Innere Kontrolle: Fähigkeit, nicht Aussehen
Am besten lässt sich das wohl damit erklären, was junge Leute für wichtig im Leben halten: mit der Unterscheidung zwischen inneren und äußeren Zielen. Zu den inneren Zielen gehört das Bestreben, ein reifer Mensch zu werden, indem man seine Fertigkeiten, Fähigkeiten, moralischen Werte stärkt und ein sinnvolles Leben führt. Äußere Ziele haben mit materiellen Belohnungen und den Meinungen anderer Menschen zu tun – etwa hohes Einkommen, soziale Anerkennung und gutes Aussehen. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges haben sich die Ziele der Menschen immer stärker in Richtung äußerer Ziele verlagert. Jährliche Umfragen unter Studienanfängern zeigen, dass die jüngeren Generationen den Punkt »finanziell gutgestellt zu sein« für wichtiger halten als »eine sinnvolle Lebensphilosophie zu entwickeln«. In den 60er- und 70er-Jahren war es umgekehrt.
Infolge dieser Veränderung haben junge Menschen weniger Einfluss auf das Erreichen ihrer Ziele. Daher sind ihre Gefühle und Verhaltensweisen zunehmend außengeleitet. Die Internal-External Locus of Control Scale ist ein Fragebogen, der misst, wie überzeugt die Menschen davon sind, ihr Schicksal selbst zu kontrollieren und nicht von anderen kontrolliert zu werden. Von 1960 bis 2002 hat man ihn Kindern im Alter zwischen neun und 14 Jahren zur Beantwortung vorgelegt. In diesem Zeitraum hat die Überzeugung, sie hätten Kontrolle über ihr Leben, erheblich abgenommen. 2002 berichtete ein Kind im Durchschnitt über größere externe Kontrolle als 80 Prozent seiner Altersgenossen in den 60er-Jahren. Wenn Kinder den Eindruck haben, ihr Leben wenig kontrollieren zu können, reagieren sie in der Regel ängstlich auf Ungewissheit. Ich bin verloren; es hat keinen Zweck, etwas zu
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