Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)
werden wird. Daher hinken sie beständig ein Jahr hinterher und verpassen alle Auf- und Abschwünge. Jeder Punkt zeigt die Vorhersage einer von 22 internationalen Banken, darunter Bank of America, Bank of Tokyo Mitsubishi, Barclays Capital, Citigroup, Commerzbank, Credit Suisse, Deutsche Bank, HSBC, JP Morgan, Merrill Lynch, Morgan Stanley und Societé Générale. Gestützt auf ConsensusEconomics 2001–2010.
Im Dezember 2000 sagten die meisten Banken voraus, Ende 2001 würden Euro und Dollar ungefähr gleich stehen. Das ist ganz links in Abbildung 5.1 zu sehen. Unter anderem prophezeiten Credit Suisse, Bank of Tokyo Mitsubishi, Royal Bank of Canada, UBS und Deutsche Bank einen Wechselkurs von 1 zu 1. Ende 2001 betrug der Wechselkurs von Euro zu Dollar jedoch nur 1 zu 0,88. Alle Banken überschätzten den Kurs, ausgenommen die Citigroup, die mit ihrer Prognose von 0,85 fast richtiglag. Das war aber das erste und letzte Mal in diesem Jahrzehnt, dass die Citigroup mit ihrer Vorhersage Glück hatte. Schauen wir uns jetzt die Prognosen für 2002 an. In Reaktion auf die Überbewertungen des Vorjahrs korrigierten die Banken ihre Vorhersagen durchgehend nach unten. Abermals lagen sie um mehr als 20 Cent auseinander. Aber der Euro stieg; der tatsächliche Wechselkurs lag bei 1 zu 1,05 – höher, als irgendeine der Banken prognostiziert hatte. Überrascht vom Aufwärtstrend des Euro, korrigierten die Banken ihre Vorhersagen im folgenden Jahr, 2003, nach oben. Erneut kletterte der Euro rascher, als irgendjemand erwartet hatte, und erneut lag der tatsächliche Wechselkurs außerhalb des Bereichs aller Schätzungen. Das gleiche Bild 2004. Zwar folgte der Schwarm der Vorhersagen dem Aufwärtstrend des Vorjahres, doch abermals war der wirkliche Wechselkurs höher, als irgendeine Bank in Aussicht gestellt hatte.
Für Ende 2005 prognostizierte jede Bank, dass sich der Kurs, dem Trend des Vorjahres folgend, weiter nach oben bewegen würde. Doch jetzt fiel der Euro, und der Dollar stieg. Nicht eine einzige Bank hatte den Kursrückgang im Auge gehabt. Wie in den Vorjahren bewegte sich der tatsächliche Wechselkurs außerhalb des gesamten Prognosebereichs. Für das nächste Jahr passten die Banken ihre Prognosen dieser Abwärtsbewegung an, indem sie erneut den Trend des zurückliegenden Jahres voraussagten. Der Euro stieg. Dieses Mal lagen wenigsten einige Schätzungen der Banken nahe am Ziel. 2007 setzte der Euro seinen steilen Aufstieg fort und erreichte einen höheren Wert, als irgendeine der Banken geschätzt hatte. Im Jahr darauf deckten sich der vorausgesagte und der tatsächliche Kurs zum ersten und letzten Mal. In den letzten beiden Jahren meines Untersuchungszeitraums kletterte der Euro zuerst nach oben, dann sackte er ab; die Vorausberechnungen der Banken bewegten sich im Schnitt genau gegenläufig zur tatsächlichen Entwicklung.
Diese Vorhersagen wurden nicht etwa von Amateuren gemacht, sondern von einer Vielzahl stattlich entlohnter Analysten, die mit hochkomplexen mathematischen Modellen arbeiteten. Beispielsweise verschätzte sich JP Morgan, nach der Bilanzsumme die größte US -amerikanische Bank, beim Wechselkurs im Durchschnitt jedes Jahr um 13 Cent. Alle diese Experten hatten den gleichen Gedanken: Das nächste Jahr wird wie dieses sein. Ein Blick auf die Prognosen der zehn Jahre zeigt, dass die Fachleute durchgehend den Aufwärts- oder Abwärtstrend des Vorjahres voraussagten. Bei mehr als 90 Prozent der einzelnen Prognosen folgten die Experten dieser Regel. Das könnten Sie genauso gut. Das einzige Problem ist der Euro-Dollar-Wechselkurs, der sich nicht an diese Logik hält, was zur Folge hat, dass jede Trendveränderung übersehen wird.
Vorhersagen, die immer zutreffen, nur dann nicht, wenn dieses Jahr nicht wie das letzte ist, bieten uns die falsche Sicherheit eines Airbags, der immer funktioniert, nur dann nicht, wenn wir einen Unfall haben.
Warum bezahlen dann die Führungskräfte großer Unternehmen für solche nutzlosen Voraussagen? Einige wissen es vielleicht nicht, weil die Banken nicht veröffentlichen, was Sie in Abbildung 5.1 sehen. Andere sind weniger an den tatsächlichen Prognosen interessiert als daran, ihre Haut zu retten. Wenn ein Unternehmen infolge einer Wechselkursschwankung Verluste erleidet, kann der Manager auf die falsche Vorhersage der Banken verweisen, sodass die Bank verantwortlich ist und nicht er, der Manager. Dieses Verhalten kennen wir bereits: defensives Entscheiden, von
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