Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)
ich mich schließlich dazu durchgerungen hatte, diese Darstellung zu akzeptieren, erhielt ich einen Brief des britischen Bibliothekars Geoffrey Hunt mit einer Kopie aus Wells’ Word Brain (1938/1994). Und da war es: »Eine gewisse Grundunterweisung in der statistischen Methode ist für jeden, der in unserer heutigen Welt lebt, so unabdingbar wie Lesen und Schreiben« (S. 141). Das bestätigt den Geist, wenn auch nicht den exakten Wortlaut dieses populären Zitats.
Kapitel 5
Alles was glänzt
Es geht darum, alles so einfach wie möglich zu machen, aber nicht einfacher.
Albert Einstein zugeschrieben
Bekanntlich sind Amerikaner ziemlich optimistisch, was ihre Aussichten auf Reichtum angeht. Laut einer Meinungsumfrage glauben 19 Prozent der Amerikaner, dass sie zu dem 1 Prozent der absoluten Spitzenverdiener gehören. Weitere 20 Prozent glauben, dass sie eines Tages noch dort hinkommen werden. 94 Positives Denken ist gut, wenn man jung ist, hat aber auch seine Schattenseiten. Tatsächlich ist die Aufwärtsmobilität in den Vereinigten Staaten nicht mehr größer als in den meisten anderen westlichen Ländern. Große Teile einer optimistischen amerikanischen Öffentlichkeit unterstützen Steuersenkungen für Reiche, von denen sie nie profitieren werden.
Es ist leicht, über so viel Naivität zu schmunzeln. Schließlich leben wir im digitalen Zeitalter und haben Zugang zu allen Informationen, die wir uns wünschen. Denken wir jedenfalls.
Tatsächlich hat das digitale Zeitalter unseren Umgang mit Geld verändert: Mithilfe von Supercomputern sagen wir Wechselkurse und den Aktienmarkt voraus und wenden raffinierte Finanzprogramme an, welche die meisten Sterblichen nicht verstehen. Doch hat all das wirklich zu besseren Vorhersagen geführt? Erinnern wir uns, dass die Welt des Investments weitgehend ungewiss ist und dass das Vertrauen in Finanztheorien, die für eine Welt bekannter Risiken entwickelt wurden, zu illusorischer Gewissheit führt, der Truthahn-Illusion, wie ich sie nenne.
Finanzexperten: Götter oder Schimpansen?
Der Vermögensverwalter einer großen Versicherungsgesellschaft beklagte einmal mir gegenüber, seine Verwandten würden ihn ständig mit der Frage löchern, in welche Aktien sie investieren sollen. »Ich weiß es nicht. Wie denn auch?«, sagte er. »Aber sie wollen unbedingt glauben, ich sei Gott.« Er ist ein ehrlicher Mann, aber es gibt andere, die weniger Skrupel haben und ihre Klienten gar zu gerne in dem Glauben wiegen, sie besäßen übermenschliche Fähigkeiten . Immer wenn ein Jahr zur Neige geht, sagen namhafte Finanzinstitute die Wechsel- und Aktienkurse des nächsten voraus. Die Medienaufmerksamkeit ist garantiert. Schließlich möchte jeder wissen, ob das nächste Jahr gut oder schlecht wird und was er mit seinem Geld anfangen soll. Niemand nimmt an, dass die Vorhersagen hundertprozentig exakt sind, aber jeder geht doch davon aus, dass sie nicht allzu weit danebenliegen. Ganz besonders wichtig: Große Auf- und Abschwünge sollten nicht übersehen werden. Wie gut sind diese Vorhersagen, die wir jedes Jahr hören?
Wird der Dollar oder der Euro steigen?
Beginnen wir mit den Wechselkursen. Jeder, der Geld aus Europa nach USA überweist oder einen Überseeurlaub plant, würde nur allzu gerne wissen, welches der beste Zeitpunkt für den Umtausch von Euro in Dollar ist. Besonders groß ist das Interesse von Unternehmen, die ihre Produkte nach Übersee exportieren, denn für sie steht weit mehr auf dem Spiel. Um diesem Wunsch nachzukommen, sagen Banken in aller Welt den Euro-Dollar-Wechselkurs für ihre Kunden voraus. Können wir uns auf das, was sie sagen, verlassen? Die Antwort scheint klar zu sein. Würden die Vorhersagen nichts taugen, so gäbe es sie gar nicht, denn niemand würde einen Cent für sie bezahlen. Um zu sehen, ob das stimmt, untersuchte ich, was es mit diesen Prognosen auf sich hat und wie gut sie sind. In Abbildung 5.1 zeige ich für einen Zeitraum von zehn Jahren die Vorhersagen, die 22 internationale Banken jeweils am Jahresende machten. 95 Schauen wir uns diese Prognosen etwas genauer an.
Abbildung 5.1: Voraussagen der Euro-Dollar-Wechselkurse sind wertlos. Jedes Jahr im Dezember sagen internationale Banken die Wechselkurse für das Ende des folgenden Jahres vorher. Meistens liegt der tatsächliche Kurs außerhalb des gesamten Prognosebereichs.
Doch die Vorhersagen sind nicht beliebig: Analysten prophezeien gewöhnlich, dass das folgende Jahr wie das gegenwärtige
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