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Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)

Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)

Titel: Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Gigerenzer
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5.1).

    Bankanalysten und Vermögensverwalter sind für das Geld auf unserem Planeten verantwortlich. Können sie Wechsel- und Aktienkurse voraussagen? Nein. Doch die Kunden möchten glauben, dass sie es können, und die Banken tragen ihren Teil dazu bei, um diese Illusion aufrechtzuerhalten.
    Jeder kann ein Marktguru werden
    In seinem Roman Pudd’nhead Wilson (deutsch: Knallkopf Wilson ) erklärt Mark Twain das Geheimnis narrensicherer Vorhersagen. 98 »Oktober. Dies ist einer der besonders gefährlichen Monate für Aktienspekulationen. Die anderen sind Juli, Januar, September, April, November, Mai, März, Juni, Dezember, August und Februar.« Eine etwas subtilere Methode ist: Mache ständig Vorhersagen, aber mache keine Aufzeichnungen. Es heißt, Roger Babson habe den Börsenkrach von 1929 prophezeit. Weniger bekannt ist die Tatsache, dass er den Krach seit Jahren vorhersagte. 99 Der Trick besteht darin, die Talfahrt so oft vorherzusagen, dass die Prophezeiung irgendwann in Erfüllung gehen muss, und dann alle prognostischen Fehlgriffe zu vergessen. Elaine Garzarelli von Lehman Brothers wurde der Roger Babson des Schwarzen Montags 1987. Am 12. Oktober sagte sie »einen unmittelbar bevorstehenden Kollaps des Aktienmarkts« vorher. Vier Tage später kam es tatsächlich zum großen Börsenkrach. Von den Medien zum »Guru des Schwarzen Montags« hochgejubelt, gehörte sie bald zu den höchstbezahlten Strategen der Wall Street. Doch der Crash war ihr letzter Triumph. Danach erreichte sie mit ihren Vorhersagen über die Auf- und Abwärtsbewegungen des Marktes noch nicht einmal die Zuverlässigkeit von Münzwürfen. Wer ihr sein Geld anvertraute, wurde bitter enttäuscht.
    Die Moral der Geschichte: Unter den Tausenden von Finanzexperten wird es immer einige geben, die mit ihren Vorhersagen richtigliegen. Selbst eine kaputte Uhr zeigt zweimal am Tag die richtige Zeit an. Doch wie ist es, wenn jemand mehrere Male hintereinander recht behält? Stellen wir uns 10000 Anlageberater vor, deren Empfehlungen die Trefferquote von Münzwürfen haben. Nach einem Jahr dürfen etwa 5000 von sich behaupten, sie hätten Geld verdient, während die anderen 5000 Verluste machten. Von denen, die einen Gewinn verbuchten, wird die Hälfte – 2500 – auch im zweiten Jahr wieder Gewinne verzeichnen. Von diesen kann wiederum die Hälfte – 1250 – auch im dritten Jahr behaupten, ihre Methode habe geklappt. Eine einfache Rechnung zeigt, dass rund zehn Investmentgurus mit ihren Einschätzungen zehn Jahre hintereinander recht behalten werden. Da fällt es schwer, ein solch eindrucksvolles Ergebnis den einzigartigen, tiefen Einsichten des Gurus in das Marktgeschehen zuzuschreiben. Um es mit Nassim Taleb zu sagen: Wenn Sie es täten, würden Sie sich vom bloßen Zufall hinters Licht führen lassen. 100
    Selbst nachdem Sie die grottenschlechten Aktien- und Wechselkursvoraussagen in den Abbildungen 5.1 und 5.2 gesehen haben, widerstrebt Ihnen möglicherweise der Gedanke, dass diese selbstsicheren Profis mit ihren Prognosen nicht mehr Erfolg haben sollen als der sprichwörtliche Schimpanse mit seinem Dartpfeil. Zwei Studien lassen darauf schließen, dass der Schimpanse seine Sache unter Umständen sogar besser macht. In der ersten Untersuchung wurden schwedische Portfoliomanager, Broker und Anlageberater gebeten, die Performance von zwanzig Blue-Chip-Aktien vorherzusagen. 101 Dabei legte man ihnen jeweils zwei Aktien gleichzeitig vor und forderte sie auf, diejenige auszuwählen, die 30 Tage später besser dastehen würde. Eine Gruppe von Laien erhielt die gleiche Aufgabe gestellt. Ihre Antworten bewegten sich auf dem Zufallsniveau, das heißt, ihre Vorhersagen trafen in der Hälfte der Fälle zu. Die Fachleute dagegen blieben hinter dem Zufall zurück, sie wählten nur zu 40 Prozent die richtige Aktie aus. Eine Wiederholung der Studie mit anderen Experten und Amateuren führte zum gleichen Ergebnis. Wie gelang es den Profis, noch schlechter abzuschneiden als die Laien? Die Fachleute scheinen sich bei ihren Prognosen auf besondere Informationen verlassen zu haben, ohne sich über deren Unzuverlässigkeit im Klaren gewesen zu sein. Trotzdem waren diese Experten davon überzeugt, sie würden weit bessere Vorhersagen treffen und nur halb so viele Fehler machen wie die Laien. Und diese waren der gleichen Meinung.
    Wenn Sie also ein Anlageberater wären und noch schlechtere Prognosen ablieferten als Ihre Kunden, könnten Sie dann immer noch ein

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