Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)
Finanzguru werden? Stellen wir uns noch einmal 10000 Anlageberater vor, die den gleichen Grad von Inkompetenz haben wie ihre schwedischen Kollegen in den beschriebenen Studien. Nach dem ersten Jahr ist davon auszugehen, dass 4000 von ihnen richtig und die anderen 6000 falsch vorhergesagt haben. Im zweiten Jahr sind es 1600, deren Prognosen sich zweimal hintereinander bewahrheitet haben. Nach fünf Jahren können wir erwarten, dass es noch immer rund 100 Anlageberater gibt, deren Vorhersagen Jahr um Jahr in Erfüllung gegangen sind. Und einem der Experten wird es sogar gelingen, zehn Jahre hintereinander ins Schwarze zu treffen. Man braucht nur einen großen Haufen unfähiger Experten, dann wird am Ende einer eine fantastische Leistungsbilanz haben.
Wie man selbst ein nobelpreisgekröntes Portfolio übertrifft
Ich glaube an die Wirksamkeit einfacher Regeln in einer realen, unüberschaubaren Welt. Auch wenn sie vielleicht nicht immer helfen, sollte die erste Frage lauten: Können wir eine einfache Lösung für ein komplexes Problem finden? Diese Frage wird selten gestellt. Der erste Reflex ist, nach komplexen Lösungen zu suchen, und wenn die nicht funktionieren, sie noch komplexer zu machen. Das Gleiche gilt im Investmentbereich. Nach finanziellen Turbulenzen, die noch nicht einmal Spezialisten prognostizieren konnten, bieten einfache Faustregeln eine Alternative. Nehmen wir ein komplexes Problem, vor dem viele von uns stehen. Sie haben eine gewisse Summe Geld zur Verfügung und möchten sie investieren. Sie wollen nicht alles auf ein Pferd setzen und ziehen eine Anzahl von Aktien in Betracht. Sie möchten diversifizieren. Aber wie?
Harry Markowitz ist für die Lösung dieses Problems mit einem Nobelpreis in Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet worden. Die Lösung wird als Mean-Variance-Portfolio [deutsch: Minimum-Varianz-Portfolio] bezeichnet. Das Portfolio maximiert die Rendite ( mean ) und minimiert das Risiko ( variance ). Einfach ausgedrückt: Das Modell sagt Ihnen, wie Sie die höchste Rendite beim geringsten Risiko erwarten können. Viele Banken verlassen sich auf diese und ähnliche Investmentmethoden und warnen ihre Kunden davor, ihrer Intuition zu vertrauen.
Man sollte annehmen, dass Markowitz, als er selbst Investitionen für seine Alterssicherung tätigte, seine nobelpreisgekrönte Methode anwendete. Aber nein, er hielt sich an die einfache Faustregel »1/N«:
Verteile dein Geld gleichmäßig auf N Fonds.
Warum verließ er sich auf eine Heuristik statt auf Berechnungen? In einem Interview erklärte Markowitz, er habe sich Selbstvorwürfe ersparen wollen: »Ich dachte: ›Wenn die Kurse nach oben gehen, und ich bin nicht dabei, komme ich mir blöd vor. Und wenn sie fallen, und ich bin dabei, komme ich mir blöd vor.‹ Daher entschied ich mich für 50/50.« 102 Er hielt sich an das Motto vieler Investoren: Mach es einfach! Und 1/N ist nicht nur einfach, es ist auch die reinste Form der Diversifizierung.
Wie gut ist diese Faustregel? In einer Studie wurde sie mit dem Minimum-Varianz-Portfolio und einem Dutzend anderen komplexen Methoden verglichen. Sieben Anlageprobleme, wie etwa die Investition in zehn amerikanische Industriefonds, wurden analysiert. 103 Beim Minimum-Varianz-Portfolio zog man die Aktiendaten der letzen zehn Jahre heran, während 1/N keine Daten braucht. Und das Ergebnis? In den meisten der sieben Tests schnitt 1/N nach den üblichen Leistungskriterien besser ab als die Minimum-Varianz-Methode. Mehr noch, keine der anderen zwölf komplexen Methoden prognostizierte den künftigen Wert der Aktien durchgehend besser.
Ist also die nobelpreisgekrönte Methode ein Schwindel? Nein. Sie ist optimal in einer idealen Welt bekannter Risiken, aber nicht notwendigerweise in der ungewissen Welt des Aktienmarkts, in der so vieles unbekannt ist. Hier müssen die Parameter des Portfolios aus früheren Daten abgeleitet werden. Nun sind aber, wie gezeigt, zehn Jahre ein zu kurzer Zeitraum, um zuverlässige Schätzungen zu erhalten. Nehmen wir an, Sie investieren in 50 Fonds. Wie viele Jahre an Aktiendaten würde die Minimum-Varianz-Methode dann wohl brauchen, um besser abzuschneiden als 1/N? Eine Computersimulation liefert die Antwort: rund 500 Jahre!
Das heißt, im Jahr 2500 können die Investoren von der einfachen Regel zur höheren Mathematik des Minimum-Varianz-Modells übergehen und hoffen, dabei zu gewinnen. Doch das gilt nur für den Fall, dass es die gleichen Aktien – und den Aktienmarkt
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