Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)
beste hielten. Der Wortlaut der Frage war: »Denken Sie an die letzten zehn wichtigen beruflichen Entscheidungen, an denen Sie beteiligt waren. Wie viele hatten eine defensive Komponente?«
Sieben von 32 Managern sagten, sie träfen nie eine defensive Entscheidung (Abbildung 6.2, oben). Einer von ihnen, ein Mann in den Fünfzigern, erklärte: »Ich glaube, ich habe immer im Interesse des Unternehmens entschieden. Mit geht es nur gut, wenn es dem Unternehmen gut geht. Das ist meine innerste Überzeugung. Selbst wenn mich dieses Unternehmen vor die Tür setzt, würde ich das Gleiche für das nächste tun.« Das ist ein Managertypus, den jeder haben möchte. Aber diese waren in der Minderheit.
Ein Dutzend Führungskräfte gaben einige defensive Entscheidungen zu – zwischen einer und drei. Einer begründete dies mit der Furcht, gerügt zu werden, sich durch einen Fehler zu kompromittieren und dadurch bei den Kollegen an Ansehen zu verlieren. Andere machten Zeitdruck und unabsehbare Risiken verantwortlich. Ein Manager Anfang sechzig gestand offen ein, dass es ihm in einigen Fällen einfach an Mut gefehlt habe.
Fast ein Drittel der Manager gab jedoch zu, dass etwa die Hälfte ihrer Entscheidungen defensiv seien. Einer rechtfertigte sein Verhalten wie folgt: »Ich möchte ein Teil der Mehrheit sein, um mich vor persönlichen Angriffen zu schützen. Vielleicht habe ich Angst vor der eigenen Courage.« Ein anderer beklagte, das Unternehmen schaffe keine Anreize für Risikobereitschaft, sondern kritisiere nur, wenn etwas schiefgehe. Mehrere Befragte rechtfertigten ihr Verhalten als Strategie zur Vermeidung von Konflikten, um sich und ihre Abteilung zu schützen. Ein Vorstandsmitglied gab zu, dass die Hälfte seiner Entscheidungen nicht im besten Interesse des Unternehmens lägen. Er meinte, in dem Unternehmen herrsche eine No-Risk-Mentalität, daher konzentriere er sich lieber auf seine eigenen Chancen und Risiken und wäge diese sorgfältig ab.
Einige wenige erklärten sogar, sie entschieden sich in sieben bis neun von zehn Fällen gegen die besten Interessen des Unternehmens. Sie waren auf der untersten Managementebene angesiedelt und erklärten ihre Absicherungsmentalität mit Angst vor Bloßstellung.
Abbildung 6.2: Wie häufig treffen Führungskräfte defensive Entscheidungen? Selbsteinschätzung von 32 Führungskräften eines großen internationalen Technologiedienstleisters (oberes Diagramm) und 52 Führungskräften der beiden höchsten Ebenen eines großen internationalen Autoherstellers (unteres Diagramm). Wenn Menschen die zweitbeste Option für ihre Firma wählen (statt der besten), um sich selbst zu schützen, falls etwas schiefgeht, nennt man das defensives Entscheiden. Defensives Entscheiden schützt das Individuum auf Kosten des Unternehmens oder der Institution.
Die Defensivität in diesem Unternehmen war symptomatisch für das, was ich in anderen Großunternehmen vorfand. Die Führungskräfte, einschließlich des Vorstands, des internationalen Autoherstellers berichteten von defensiven Entscheidungen ähnlichen Ausmaßes (Abbildung 6.2, unten). Die Mehrheit gab an, gelegentlich defensive Entscheidungen zu treffen, während nur einer von zehn erklärte, nie defensiv zu entscheiden. Insgesamt berichteten diese Führungskräfte von weniger defensiven Entscheidungen im Vergleich zum Technologiedienstleister, was abermals darauf zurückzuführen sein könnte, dass beim Autohersteller niemand aus dem unteren Management befragt wurde .
Sind Bauchgefühle überall tabu?
Familienunternehmen sind eine wichtige Ausnahme von der Regel. Ein Familien- oder Eigentümerunternehmen befindet sich in den Händen weniger Personen, meist eines oder mehrerer Familienmitglieder – anders als bei öffentlich gehandelten Unternehmen, deren Wertpapiere auf viele Investoren verteilt sind. Vor allem aber ist die Unternehmenskultur in Familienunternehmen anders. Dort hat man weniger Probleme mit Bauchgefühlen; wenn ein Fehler vorkommt, ist die Gefahr einer sofortigen Entlassung geringer. Statt sie in der hintersten Ecke der Schreibtischschublade zu verstecken, spricht man offener über Fehler, um aus ihnen zu lernen. Man plant weit in die Zukunft und orientiert sich an der Leistung, weniger an formalen Verfahren. Es geht nicht darum, die Gewinne des nächsten Jahres zu maximieren, sondern das Unternehmen so aufzustellen, dass es guten Gewissens der nächsten Generation übergeben werden kann. Bauchentscheidungen sind nicht
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