Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)
Fehler zu vermeiden, welche Ärzte regelmäßig begehen, wenn man ihnen Probleme in Form von »natürlichen Häufigkeiten» statt von Wahrscheinlichkeiten darbietet (Kapitel 12). Zweitens, wenn wir es mit Ungewissheit und nicht mit bekannten Risiken zu tun haben, sind Logik und Berechnung nicht ausreichend. Hier kann etwas, was wie ein »logischer Fehler« aussieht, eine vernünftige Strategie sein. Die Beispiele in Kapitel 5 und in diesem Kapitel zeigen, dass intuitive Regeln wie Investiere gleichmäßig (1/N) und Verlasse dich auf einen guten Grund ( Take-the-Best ) zu besseren Ergebnissen führen können als komplexe Optimierungsmethoden. Wie das Monty-Hall-Problem im nächsten Kapitel zeigt, gilt die logische Lösung auch oft nur für die Textbuchversion eines Problems, in der alle Risiken als bekannt angenommen werden, nicht aber für die gleiche Situation im wirklichen Leben.
Der große Irrtum in Akt II ist die Überzeugung, dass gute Urteile sich auf Logik und Berechnung reduzieren lassen. Wie wir gesehen haben, gilt das nur in einer Welt der Risiken wie zum Beispiel bei einer Lotterie. In einer ungewissen Welt sind gute Intuitionen verlangt. Wir brauchen unterschiedliche Werkzeuge für Risiken und für Ungewissheit, und in der Regel sind wir auf beide Arten angewiesen. Es ist eine Fehleinschätzung, sich das logische Denken als den Babysitter der Intuition vorzustellen oder umgekehrt. Während Akt I zu falschen Vorstellungen über Frauen führte, hat Akt II ähnliche falsche Vorstellungen über unser aller Intuitionen erzeugt.
Akt III: Intuition ernst genommen
Doch das Stück hat drei Akte. Der Vorhang zum dritten Akt öffnete sich Ende der 90er-Jahre und ist noch nicht wieder gefallen. In meiner eigenen Forschung vertrete ich die Auffassung:
1. Intuition ist weder eine Laune noch die Quelle aller schlechten Entscheidungen. Sie ist unbewusste Intelligenz, welche die meisten Regionen unseres Gehirns nutzt.
2. Intuition ist dem logischen Denken nicht unterlegen. Meistens sind beide erforderlich. Intuition ist unentbehrlich in einer komplexen, ungewissen Welt, während Logik in einer Welt ausreichen kann, in der alle Risiken mit Gewissheit bekannt sind.
3. Intuition beruht nicht auf mangelhafter mentaler Software, sondern auf intelligenten Faustregeln und viel Erfahrung, die im Unbewussten verborgen liegt.
Treffen Manager gute Bauchentscheidungen?
Vor einigen Jahren lud die Universität Bielefeld zwei Unternehmer und zwei Hochschullehrer zu einer renommierten Tagung ein, die vom Fachbereich für Wirtschaftwissenschaften ausgerichtet wurde. Einer der Unternehmer hatte eine gut gehende Garagenbaufirma gegründet, der andere ein Unternehmen für Backmaschinen. Die Hochschullehrer waren Reinhard Selten, Deutschlands einziger Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften, und ich. Die Zuhörer erwarteten zwischen uns vier eine Debatte nach dem Muster Theorie gegen Praxis. Doch es wartete eine Überraschung auf sie. Selten und ich empfahlen, einen Teil des Wirtschaftscurriculums zu streichen und stattdessen zu lehren, wie man erfolgreiche Entscheidungen in einer ungewissen Welt trifft. 118 Gegen die Einwände der anwesenden Wissenschaftler, die mathematisch elegante Theorien bevorzugten, verteidigten die Unternehmer unseren Vorschlag. Beide betonten mit Nachdruck, dass ihnen vieles von dem, was sie in ihrem MBA -Studium gelernt hatten, wenig genutzt habe. Sie hätten ihr Vermögen erworben, indem sie ihren Bauchgefühlen vertrauten, von denen sie selten getäuscht wurden. Doch solche Aspekte seien während ihres Studiums allenfalls abschätzig zur Sprache gekommen.
Um herauszufinden, in welchem Maße man sich in der Wirtschaft auf Bauchentscheidungen verlässt, befragte ich Führungskräfte und Vorstände großer Unternehmen. Eines war ein führender internationaler Technologiedienstleister. Das Unternehmen hatte Probleme mit langsamer Entscheidungsfindung, sowohl innerhalb der Firma als auch im Umgang mit Kunden.
Mithilfe einer Führungskraft, die ihr Vertrauen besaß, wollte ich von ihnen wissen, wie oft sie sich bei beruflichen Entscheidungen, die sie entweder alleine oder als Mitglied einer Gruppe trafen, auf ihre Bauchgefühle verließen. Abermals ist darauf hinzuweisen, dass Bauchgefühle weder Launen noch der sechste Sinn sind. Eine Führungskraft kann unter einem Berg von Informationen begraben sein, von denen sich einige widersprechen, andere von fragwürdiger Zuverlässigkeit sind und wieder
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