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Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)

Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)

Titel: Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Gigerenzer
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lag wahrscheinlich daran, dass die Befragten ausschließlich aus den beiden höchsten Managementebenen kamen.
    Meine Studien lassen darauf schließen, dass sich Manager umso häufiger auf Bauchgefühle verlassen, je höher sie in der Hierarchie angesiedelt sind. Allerdings sagten die meisten auch, wenn sie Entscheidungen gegenüber Dritten zu rechtfertigen hätten, würden sie ihre Intuition verschweigen und Gründe nachschieben. Eine häufige Klage ist, dass Unternehmen null Toleranz für Fehler haben. Manager großer Firmen neigen zu der Annahme, dass ihr Unternehmen kaum aus Fehlern lernt, wenn sie passieren. Unter Umständen darf man im Personalbereich und in den Abteilungen für Forschung und Entwicklung über Intuitionen reden; ansonsten ist es ein Tabuthema.
    Die Intuition verbergen und dabei der Firma schaden
    Es liegt eine gewisse Ironie darin, dass angehende Manager an ihrer Universität nichts über Intuition lernen, obwohl Bauchentscheidungen im Geschäftsleben vorherrschend sind. Stattdessen lehrt man sie, dass es nur eine vernünftige Art der Entscheidungsfindung gibt, nämlich die gute alte Entscheidungstheorie. Die fordert sie auf, Übermenschliches zu leisten: alle möglichen Alternativen zu bestimmen, alle möglichen Konsequenzen zu berücksichtigen, den Nutzen jeder Konsequenz zu schätzen, jeden Nutzen mit seiner Wahrscheinlichkeit zu multiplizieren und die Alternative mit dem höchsten zu erwartenden Nutzen auszuwählen. Das Problem besteht darin, dass die wirkliche Geschäftswelt ganz anders funktioniert: Man kann nicht alles berechnen, man braucht auch gute Intuition. Trotzdem lernen Studenten meist, dass intuitive Urteile so irreführend sind wie optische Täuschungen. Und später, wenn sie in der Arbeitswelt auf ihre Intuition angewiesen sind, fühlen sie sich verpflichtet, dies verlegen zu verschweigen.
    Wie wir gesehen haben, sind etwa die Hälfte der Entscheidungen in großen Unternehmen Bauchentscheidungen. Doch wären Manager wahrscheinlich schlecht beraten, wenn sie öffentlich zugäben: »Ich habe es gespürt.« In unserer Gesellschaft ist Intuition verdächtig. Aus diesem Grund verbergen Manager in der Regel ihre Intuitionen oder haben es sogar ganz aufgegeben, auf sie zu hören. Ich habe zwei Methoden beobachtet, Bauchentscheidungen zu verbergen oder zu vermeiden.
    1. Nachträgliche Rationalisierung. Eine leitende Angestellte möchte sich aufgrund eines Bauchgefühls für eine bestimmte Alternative entscheiden, fürchtet aber, dies offen zu sagen. Daher bittet sie einen Mitarbeiter, dem sie vertraut, nachträglich Gründe zu finden. Mit dieser Liste in der Hand präsentiert sie die Entscheidung, als hätte sie diese erst nach Berücksichtigung aller dieser Faktoren getroffen. Nachträgliche Rationalisierung kostet eine Gesellschaft Zeit, Geld und Ressourcen. Eine andere Möglichkeit ist die Beauftragung einer Beratungsfirma. Die wird auf 200 Seiten die Gründe für die Bauchentscheidung vorlegen – natürlich ohne zu erwähnen, dass es eine solche gibt. Diese Vorgehensweise kostet noch mehr Geld, Zeit und Aufmerksamkeit. Beide Taktiken sind eigentlich nur motiviert durch die Furcht der Führungskraft, persönliche Verantwortung zu übernehmen – um die es bei Bauchentscheidungen letztlich geht.
    2. Defensives Entscheiden. Hier besteht die Strategie darin, die beste Option fallen zu lassen, weil sie sich nicht rechtfertigen lässt, wenn etwas schiefgeht, und deshalb eine zweit- oder drittbeste Option zu wählen. So sagt einem Manager das Bauchgefühl, mit einem neuen Produkt in einen ausländischen Markt einzutreten. Er stimmt aber mit den anderen gegen diese Option, weil er nicht erklären kann, warum er dafür ist. Wieder geht es darum, sich selbst zu schützen, dieses Mal durch die Entscheidung für Lösungen, die am zweitbesten für das Unternehmen sind. Aufgrund der Folgen zweitbester Optionen ist defensives Entscheiden für eine Firma wahrscheinlich kostspieliger als die nachträgliche Suche nach Gründen.
    Defensive Entscheidungen sind kein Zeichen für starke Führung und positive Fehlerkultur. Wie häufig passieren sie? Wenden wir uns wieder den Führungskräften des internationalen Technologiedienstleisters zu, die wir oben kennengelernt haben. Mithilfe eines leitenden Angestellten, der das Vertrauen seiner Kollegen hatte, fragte ich diese, wie oft sie eine zweitbeste Option wählten, um sich zu schützen, statt sich für die Alternative zu entscheiden, die sie für die

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