Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)
andere zu der Frage Anlass geben, warum sie ihr überhaupt übermittelt wurden. Hier gibt es keinen Algorithmus zur Berechnung der besten Entscheidung. In dieser Situation kann ein erfahrener Manager ein Gefühl für das beste Vorgehen haben – ein Bauchgefühl. Und definitionsgemäß sind die Gründe für dieses Gefühl unbewusst.
115 Vgl. Gigerenzer 2007, Kapitel 4.
116 Kahneman 2012, S. 105, 516.
117 Gigerenzer, Fiedler und Olsson 2012; Gigerenzer 2000.
118 Siehe Gigerenzer und Selten 2001 sowie Gigerenzer, Hertwig und Pachur 2011 zu einer akademischen Version der Entscheidungsfindung unter Ungewissheit.
Abbildung 6.1: Wie häufig treffen Führungskräfte Bauchentscheidungen? Meine Umfrage stützt sich auf die Selbsteinschätzung von 32 Managern eines großen internationalen Technologiedienstleisters (oberes Diagramm) und von 50 Führungskräften eines großen internationalen Autoherstellers (unteres Diagramm).
Beispielsweise sagten die meisten Führungskräfte beim Technologiedienstleister, dass sie in 50% der Fälle Bauchentscheidungen treffen. Nur wenige von ihnen würden das jedoch öffentlich zugeben. Die noch größere Häufigkeit von Bauchentscheidungen beim Autohersteller ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die befragten Manager alle den beiden höchsten Führungsebenen angehörten und nicht, wie beim Technologiedienstleister, auch aus dem mittleren Management kamen.
Wir achteten darauf, dass die leitenden Angestellten aus allen Ebenen der Hierarchie kamen – Abteilungsleiter, Hauptabteilungsleiter, Bereichsvorstände und Mitglieder des Vorstands. Fast alle waren sofort bereit, ohne dass sie ein zweites Mal gefragt werden mussten, was erkennen lässt, wie wichtig sie das Thema fanden. In persönlichen Interviews erhielt jeder die Definition eines Bauchgefühls und wurde gefragt, wie oft er oder sie sich bei beruflichen Entscheidungen darauf verließ.
Nicht ein Einziger der Befragten gab an, nie eine Bauchentscheidung zu treffen (Abbildung 6.1, oben). Andererseits bekannte auch keiner, sich ständig auf Bauchentscheidungen zu verlassen. Auf allen Ebenen der Hierarchie, vom mittleren Management bis zum Vorstand, gab die Mehrheit an, sie würden in ungefähr 50 Prozent der Fälle auf ihren Bauch hören. Das ist eine überraschend hohe Quote. Allerdings würden diese Manager das niemals in der Öffentlichkeit zugeben.
Was hält leitende Angestellte davon ab, ihren Bauchgefühlen zu folgen? Auf diese Frage wurden immer wieder drei Gründe genannt:
1. Es wird rationale Rechtfertigung, keine Intuition erwartet . Dazu erklärte eine 60-jährige Führungskraft: »Es ist schlicht so, dass man sich entschuldigen muss, wenn eine Entscheidung nicht auf 200-prozentige Fakten gegründet ist.« Oder mit den Worten eines anderen: »Wir sind ein Hightech-Unternehmen, und unsere Führungsetage erwartet Zahlen und Fakten.« Und: »Ich muss eine Entscheidung erklären, nachdem sie getroffen wurde.«
2. Man kann sich in einer Gruppe nicht mit einer Intuition durchsetzen, die man nicht erklären kann. Viele Entscheidungen werden kollektiv in Komitees getroffen und müssen verteidigt werden. Häufig fällt es Managern schwer, vor den anderen zuzugeben: »Ich habe ein Bauchgefühl«, und sie davon zu überzeugen.
3. Die tief sitzende Angst, nicht alle Gründe berücksichtigt zu haben . Einige Führungskräfte berichteten, aus Angst, etwas übersehen zu haben, nach noch mehr Fakten zu suchen, statt einfach eine Entscheidung zu treffen. Anders als die Manager, die im Nachhinein gedrängt werden, eine rationale Rechtfertigung zu liefern, hören diese gar nicht erst auf ihre innere Stimme. Einer sagte klipp und klar: »Ich habe kein Vertrauen in meine Gefühle.«
Ist dieser internationale Technologiedienstleister eine Ausnahme? In einer zweiten Studie fragte ich 50 Spitzenmanager und die Vorstandsmitglieder eines großen Autoherstellers, unter denen sich ein hoher Prozentsatz an Ingenieuren befand: »Denken Sie an die letzten zehn beruflichen Entscheidungen, an denen Sie beteiligt waren. Wie viele von denen waren Bauchentscheidungen?« Abermals sagte keiner »nie« (Abbildung 6.1, unten). Auch erklärte nicht einer, er würde sich nur gelegentlich auf sie verlassen. Vielmehr antwortete die Mehrheit (76 Prozent), sie täten es in der überwiegenden Zahl der Fälle. Fünf gaben sogar an, sie würden sich immer auf Bauchentscheidungen verlassen. Dass hier eine höhere Zahl von Bauchentscheidungen genannt wurde,
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