Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)
Todesangst, das Schlimmste befürchtend. Doch was bedeutet ein positives Ergebnis tatsächlich? Die überraschende Antwort lautet, dass sie höchstwahrscheinlich nicht Brustkrebs hat. Die Mammografie löst in vielen Fällen falschen Alarm aus. In diesem Kapitel möchte ich eine intuitive Methode erläutern, die Patienten und Ärzten hilft, Testergebnisse zu verstehen. Obwohl sie so einfach ist, dass sogar Viertklässler sie lernen können, sind nur wenige Ärzte und Patienten mit ihr vertraut. Werfen wir zunächst einen Blick hinter die Kulissen, der uns verrät, warum Ärzte alles Mögliche lernen, nur nicht, wie Risiken einzuschätzen sind.
Warum Luxushotels ihre Sterne nicht mögen
Seit dem Mauerfall hat sich Berlin in atemberaubendem Tempo verändert. Die einzige Konstante ist die tägliche Touristenlawine, die zu Fuß, auf Segways oder am Steuerrad von Trabis durch die Straßen rollt. Das Unterhaltungsangebot ist umfangreich; die Stadt beherbergt drei Opernhäuser und eines der besten Philharmonieorchester der Welt. Für jene, die es sich leisten können, gibt es 21 Fünf-Sterne-Hotels. Ich hätte sagen sollen: gab es. Etwas Unerwartetes geschah. Binnen Tagen lösten sich die Sterne von sechs Hotels in Luft auf. Lag das an Klagen von entrüsteten Kunden im Internet? An Berichten über Kakerlaken, die unter überdimensionierten Betten umherkrabbelten? Oder an Gästen, die tödlichen Stromschlägen in der Badewanne erlagen? Nichts dergleichen. Die Hotels verloren nicht etwa ihre Sterne, sie wollten sie loswerden. Einige gaben einen Stern zurück, andere alle fünf und benannten sich um in »exklusive Stadthotels«. Alle sind sie noch im Geschäft, mit demselben ausgezeichneten Service, denselben Preisen und denselben prachtvollen Standorten. Vom Hilton am Gendarmenmarkt zum Beispiel bietet sich noch immer der spektakuläre Blick auf einen der schönsten Plätze Europas. Nur die Sterne sind fort.
Alle Hotels haben einen guten Grund dafür und alle den gleichen.
Seit vielen Jahren dienen Nobelhotels als Tagungsorte für die ärztliche Fortbildung, an der Ärzte teilnehmen müssen, wenn sie ihre Zulassung behalten wollen. Überall in der Welt organisiert die Pharmaindustrie solche Veranstaltungen. Um die Ärzte anzulocken, werden Traumhotels an attraktiven Standorten ausgewählt und die Kosten – oft auch für Ehe- und Lebenspartner – übernommen. Allein in den Vereinigten Staaten gibt die Industrie mehr als eine Milliarde Dollar jährlich für die Unterstützung der ärztlichen Fortbildung aus. 150 Golfclubs und andere Annehmlichkeiten erwarten die Teilnehmer an ihrem Bestimmungsort. Ich habe Ärzte und Krankenschwestern getroffen, die ein Loblied auf das Unternehmen sangen, das die Kosten für den Flug nach Hawaii, das Hotel am Strand und alle anderen Vergünstigungen übernommen hatte. Wieder zu Hause, sind sie geneigt, ihren Patienten die Medikamente des betreffenden Unternehmens zu verschreiben, und sei es auch nur, um sich erkenntlich zu zeigen. Doch um Gefälligkeiten sollte es im Gesundheitswesen nicht gehen. Viele Ärzte scheinen dennoch den Köder zu schlucken. Zwar glaubte bei einer Erhebung unter kalifornischen Ärzten praktisch niemand (1 Prozent), Geschenke hätten einen Einfluss darauf, was sie ihren Patienten verschrieben, doch ein Drittel derselben Ärzte war der Meinung, dass Geschenke die Verordnungen ihrer Kollegen durchaus beeinflussten. 151
Nach Jahren der Geschenke begannen die Behörden zu fürchten, dass die Ärzte sich durch diese Praxis bestechen ließen. In Deutschland reagierte die Industrie rasch, um Korruptionsermittlung zu verhindern, und gründete eine Organisation namens Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie ( FSA ). In den von der FSA herausgegebenen Richtlinien hieß es, ärztliche Fortbildung solle nicht mehr in Luxushotels, sondern in anderen, dem Zweck angemessenen Hotels abgehalten werden.
Bei dieser Nachricht geriet man in sechs der Berliner Luxushotels in Panik und warf die Sterne ab. Das Geschäft mit der Fortbildung war einfach zu lukrativ. Entsprechend entfernte das Loews-Hotel Lake Las Vegas das Resort (»Ferienort«) aus seinem Namen, um die Pharmaunternehmen nicht abzuschrecken, andere Hotels folgten seinem Beispiel. Ich habe mit dem Geschäftsführer der Freiwilligen Selbstkontrolle gesprochen, und er erklärte mir, dass es nicht um die Zahl der Sterne gehe, sondern um überflüssigen Luxus wie diverse Wellnesseinrichtungen, die für die
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