Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)
Wahrscheinlichkeit eines positiven Testergebnisses 90 Prozent (Sensitivität).
• Wenn eine Frau keinen Brustkrebs hat, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass das Testergebnis trotzdem positiv ausfällt, neun Prozent (Falschalarmrate).
Bei einer Frau ist der Test positiv. Sie möchte wissen, ob daraus folgt, dass sie mit Sicherheit Brustkrebs hat, oder wie groß die Wahrscheinlichkeit ist. Was sagen Sie ihr?«
Die richtige Antwort lautet 1 von 10. Das heißt, von zehn Frauen mit einem positiven Screening-Ergebnis hat nur eine tatsächlich Krebs. Bei den anderen handelt es sich um falschen Alarm . Doch die Antworten der 160 Gynäkologen waren über das ganze Spektrum verstreut (Abbildung 9.1, oben). Die Mehrheit glaubte, dass acht oder neun von zehn Frauen mit einem positiven Test an Krebs erkrankt seien (linke Seite). Sie können sich vorstellen, welch unnötige Angst und Panik diese zahlenblinden Ärzte verursachten. Dreißig Ärzte hätten den Frauen dagegen gesagt, dass bei ihnen die Aussicht, Krebs zu haben, minimal sei, nur 1 von 100 (rechte Seite). Nur 21 Prozent der Ärzte hätten die Frauen korrekt informiert, was noch nicht einmal der Zufallserwartung entspricht (die 25 Prozent beträgt, weil es vier Wahlmöglichkeiten gab). Wenn die Patientinnen von diesem Chaos an Meinungen wüssten, wären sie zu Recht besorgt; die Ärzte jedenfalls waren davon sehr betroffen.
Abbildung 9.1: Die meisten Gynäkologen verstehen nicht, was ein positives Mammogramm bedeutet. Oben: Zu Beginn einer Fortbildungsveranstaltung für Ärzte fragte ich 160 Gynäkologen, was sie einer 50-jährigen Frau mit einem positiven Screening-Mammogramm über die Wahrscheinlichkeit einer Brustkrebserkrankung sagen würden. Fast die Hälfte (47 Prozent) glaubte, von 10 Frauen mit positivem Mammogramm hätten 9 Krebs, 13 Prozent hielten 8 von 10, 21 Prozent 1 von 10 und 19 Prozent 1 von 100 für richtig! Würden die Patienten wissen, wie weit die Meinungen auseinandergehen, wären sie zu Recht beunruhigt.
Unten: Nachdem die Ärzte bei einer 75-minütigen Fortbildungsveranstaltung gelernt hatten, in natürlichen Häufigkeiten zu denken, kamen 87 Prozent von alleine auf die richtige Antwort: 1 von 10. Das heißt, nur eine von je zehn Frauen mit einem positiven Testergebnis beim Screening hat tatsächlich Brustkrebs; bei den anderen ist es falscher Alarm.
Ich ließ ihnen etwas Zeit, das Ergebnis zu verarbeiten. Dann erklärte ich ihnen, dass es eine einfache Methode gibt, ihrem Verständnis auf die Sprünge zu helfen. Man muss nur die Wahrscheinlichkeiten in natürliche Häufigkeiten umwandeln:
• Zehn von jeweils 1000 Frauen haben Brustkrebs.
• Von diesen zehn Frauen mit Brustkrebs werden neun positiv getestet.
• Von 990 Frauen ohne Brustkrebs werden 89 trotzdem positiv getestet.
Jetzt ist leicht zu erkennen, dass 98 (89 + 9) positiv getestet werden, von denen nur neun tatsächlich Krebs haben. Das entspricht etwa 1:10. Mit 100 Frauen und ein wenig Abrunden heißt das:
• Eine von jeweils 100 Frauen hat Brustkrebs.
• Diese Frau mit Brustkrebs wird wahrscheinlich positiv getestet.
• Von den 99 ohne Brustkrebs werden 9 trotzdem positiv getestet.
Insgesamt können wir also erwarten, dass zehn Frauen ein positives Ergebnis haben. Nur eine von ihnen hat Krebs.
Nachdem die Ärzte gelernt hatten, die verwirrenden Wahrscheinlichkeiten in natürliche Häufigkeiten umzuwandeln, vermochten 87 Prozent selbst herauszufinden, dass die beste Schätzung 1 von 10 war (Abbildung 9.1, unten). Es gab auch einige »hoffnungslose Fälle«, die immer noch glaubten, die meisten Frauen mit positiven Testergebnissen hätten Krebs (linke Seite). Doch selbst sie hätten es am Ende verstehen können, wenn wir mehr Zeit gehabt hätten.
Ärzte denken oft, dass alle anderen solche Dinge verstehen, während sie selbst zu den wenigen mit einem fehlenden Mathe-Gen gehören. Deshalb ist es wichtig, sie in Gruppen zu unterrichten, um ihnen zu zeigen, dass sie kein Einzelfall sind und sich nicht mehr zu verstecken brauchen. Sie sehen, dass es oft eine einfache Lösung für ein scheinbar schwieriges Problem gibt. Außerdem lernen sie, auch andere verwirrende Statistiken, wie relative Risiken, zu durchschauen. Manch ein Teilnehmer verließ die Sitzung mit gestärktem Selbstbewusstsein. Nach meinem ersten Fortbildungsvortrag sprach mich ein Vertreter der Industrie an: »Sehr hilfreich«, meinte er, »aber wir werden natürlich weiterhin relative Risiken für
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