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Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)

Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)

Titel: Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Gigerenzer
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positiv getestet werden, haben tatsächlich Brustkrebs, was ungefähr 1 von 10 entspricht.
Die vier Zahlen am Fuß des rechten Baums sind die natürlichen Häufigkeiten, die vier Zahlen am Fuß des linken Baums die bedingten Wahrscheinlichkeiten (vgl. Abbildung 9.2).
    Es wäre weitaus hilfreicher, würde sich jeder an diese Empfehlung halten, statt andere Leute zu behandeln, als wäre ihnen Risikoinkompetenz angeboren. Dann müssten nicht mehr so viele Menschen unter grundlosen Ängsten wegen falscher medizinischer Testergebnisse leiden und hätten bessere Voraussetzungen, informierte Entscheidungen zu treffen.
    Pränatal-Screening
    Stellen Sie sich vor, Sie sind 35 Jahre alt und schwanger. In vielen Ländern empfehlen Ärzte allen Frauen, die 35 und älter sind, am Screening auf Downsyndrom teilzunehmen. Das Downsyndrom – oder Trisomie 21 – ist die häufigste angeborene Chromosomenaberration, die klinisch relevant ist. Kinder mit diesem Syndrom haben 47 statt der üblichen 46 Chromosomen, was zu einer gewissen Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten und des Körperwachstums führt und die Gesichtsmerkmale charakteristisch verändert. Bei Frauen über 35 wird die Freude über die Schwangerschaft durch die Angst vor diesem oder anderen Geburtsfehlern gedämpft. Tatsächlich aber steigt das Risiko, ein Kind mit Downsyndrom zu gebären, mit dem 35. Lebensjahr der Mutter nicht plötzlich sprunghaft an, sondern nimmt mit deren Alter stetig zu. Deshalb ist diese Altersgrenze klinisch wenig sinnvoll. Vielmehr müssen wir fragen, wie groß die Gefahr bei jeder Altersstufe ist. Bei 30-Jährigen beträgt das Risiko, ein Kind mit Downsyndrom zur Welt zu bringen, rund 1 von 1000, wobei es von Land zu Land etwas schwankt. Ist die Mutter 35, steigt es auf ungefähr 3 von 1000, und bei 40-Jährigen auf etwa 10 von 1000.
    Für viele Schwangere ist das Pränatal-Screening eine extrem belastende Situation. Zwei Tests werden angeboten, ein Ersttrimester-Bluttest als Screening sowie – falls das Ergebnis positiv ist – ein zweiter, invasiver Test wie die Fruchtwasseruntersuchung oder die Chorionzottenbiopsie (CVS). Zum Ersttrimestertest gehören eine Ultraschalluntersuchung, durch die bei Föten mit Downsyndrom eine verdickte Nackenfalte festgestellt werden kann, sowie Tests auf Serummarker. Er lässt sich zwischen der 11. und 14. Woche durchführen. 158 Wenn der Test positiv ausfällt, müssen die Betroffenen entscheiden, ob sie sich einem invasiven Test wie einer Fruchtwasseruntersuchung unterziehen, die bei etwa einer von 200 Frauen zu einer Fehlgeburt führt. Für eine Frau Ende dreißig entspricht dieses Risiko in etwa der Gefahr, ein Kind mit Downsyndrom zu bekommen.
    Daher ist es außerordentlich wichtig, dass die betroffenen Frauen verstehen, was ein positiver Ersttrimestertest bedeutet. Laut einer britischen Studie glaubten einige Schwangere und Gynäkologen, bei einer solchen Diagnose sei das Downsyndrom absolut oder fast sicher. 159 Abermals ist die Illusion der Gewissheit mit einer medizinischen Technologie verknüpft. Doch kein Test ist absolut gewiss. Jeder ist fehleranfällig. Erstens liegt die Sensitivität (Testempfindlichkeit) eines Ersttrimester-Screenings bei ungefähr 90 Prozent. Mit anderen Worten: Der Test erkennt 90 Prozent der Kinder mit Downsyndrom und übersieht die restlichen. Zweitens, die Falsch-positiv-Rate beträgt rund 5 Prozent, das heißt, der Test ermittelt 95 Prozent der Kinder ohne Downsyndrom und täuscht sich bei den verbleibenden 5 Prozent. 160 Damit können wir erkennen, was ein positiver Test für eine 40-jährige Frau bedeutet:
    • Ungefähr 1 % der Kinder haben das Downsyndrom.
    • Wenn das Kind das Downsyndrom hat, besteht eine 90-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass das Testergebnis positiv ist.
    • Wenn das Kind nicht betroffen ist, besteht trotzdem noch eine 5-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass das Testergebnis positiv ist.
    Eine Schwangere wurde getestet, und das Ergebnis ist positiv. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind tatsächlich das Downsyndrom hat?
    ______ %
    In einer britischen Studie erhielten 21 Gynäkologen diese Informationen und wurden gefragt, wie die Antwort laute. Nur einer kam auf die richtige Lösung. Die meisten dachten, die Wahrscheinlichkeit sei sehr hoch – 90 bis 100 Prozent – oder sehr niedrig, nahe null. In derselben Studie wurden Hebammen, Schwangeren und ihren Partnern diese Informationen genannt. 161 Keine der Hebammen, nur eine

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