Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)
Zukunft ihrer Kinder, beurteilten sich selbst als weniger gesund und gaben häufig an, ihr Kind brauche zusätzliche elterliche Zuwendung. Und das war nicht alles.
Ein falscher Alarm bedeutete, dass nach der anfänglichen Belastung durch die negative Nachricht dem Kind nach einem erneuten Screening eine einwandfreie Gesundheit attestiert wurde. Trotzdem berichteten die Mütter von falsch-positiven Kindern häufiger, ein schwieriges Kind und eine gestörte Beziehung zu ihm zu haben. Auch Väter schilderten solche negativen Gefühle, allerdings von geringerer Intensität. Und die Hälfte aller Kinder, deren Eltern nach dem Screening ein falsch-positives Ergebnis mitgeteilt bekamen, waren noch vier Jahre später in ihrem Verhalten gestört. Wenn Kinder spüren, dass ihre Eltern sie in irgendeiner Weise für beeinträchtigt halten, kann daraus eine sich selbst erfüllende Prophezeiung werden.
Wären Eltern besser über die Fehlerhäufigkeit solcher Tests informiert gewesen, so hätte sich ihre Belastung bis zum Wiederholungstest erheblich verringert. Mit anderen Worten: Risikointelligenz hätte das emotionale Erschrecken dämpfen können, das sich später nachteilig auf die Beziehung dieser Eltern zu ihrem Kind auswirkte. Doch den meisten Ärzten fehlte es an der nötigen Vorbildung, um Tests auf genetische Störungen überhaupt zu verstehen. Daher sind sie nicht in der Lage, die Eltern zutreffend zu informieren. In vielen Ländern steigt das Alter Erstgebärender und damit das Risiko, dass Kinder ein Downsyndrom haben. Während viel in die Pränataldiagnostik investiert wird, geschieht wenig oder gar nichts, um Ärzten und Patienten die Kompetenz zum Verständnis dieser Tests zu vermitteln.
Designerbabys
Ein Kind wird geboren. Mit einem Fersenstich entnimmt man ihm eine Blutprobe, die auf genetische Störungen untersucht wird. In Deutschland und in anderen Ländern ist dies ein Routineverfahren geworden, oft ohne dass die Eltern um Einwilligung gebeten oder darüber informiert werden, dass die DNA ihres Kindes vom Krankenhaus oder vom Staat gespeichert wird. Warum findet das Screening des Kindes nicht schon vor der Geburt statt? Dank der Fortschritte in der Gentechnik wäre es möglich, die Embryonen einfach anhand einer Blutprobe der Mutter auf Hunderte von genetischen Risikofaktoren wie Downsyndrom, Brustkrebs und Sichelzellenanämie zu untersuchen. Eltern, die sich mit nichts weniger als dem perfekten Kind zufriedengeben wollen, würden begeistert Gebrauch davon machen. Schon bieten Firmen einschlägige Dienstleistungen an – von der Präimplantationsdiagnostik bis hin zu verbraucherorientierten Gentests.
Die Gentechnik wird Auswirkungen auf unsere Gefühle und Werte haben. Einige Eltern sehen in der genetischen Optimierung eine großartige Möglichkeit und ein Grundrecht; bei anderen löst der Gedanke an Designerbabys moralisches Entsetzen aus. Eines ist sicher: Genetisches Screening wird zu mehr Abtreibungen führen. Wenn sich Eltern gegen genetisches Screening entscheiden, weil sie solche Informationen nicht wünschen und auch in Kauf nehmen, ein nicht ganz perfektes Kind zu haben, müssen sie unter Umständen mit der Kritik von Freunden, Angehörigen und sogar Fremden auf der Straße rechnen: Ihr hättet es herausfinden können, warum habt ihr es nicht verhindert? Und warum soll man nicht noch früher als bei der Pränataldiagnostik ansetzen und die DNA beider Eltern vor der Schwangerschaft testen lassen? Oder noch besser: Warum nicht schon beim ersten Rendezvous einen Test parat haben?
Die ethischen Turbulenzen, die sich aus dem genetischen Screening ergeben, haben viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Weniger Beachtung findet der Umstand, dass die meisten Ärzte und Patienten die Ergebnisse dieser so faszinierenden wie kontroversen Technologie nicht verstehen werden. Wenn die meisten Ärzte schon die Wahrscheinlichkeit des Downsyndroms nach einem positiven Test missverstehen, was können wir dann erwarten, wenn sie die Ergebnisse Hunderter von Tests bewerten sollen? Wenn Ärzte sich im Sinne von zu viel Gewissheit irren, wie bei der Mammografie und den Ersttrimestertests, werden sie dazu neigen, beim Kind genetische Krankheiten zu »sehen«, die es gar nicht hat. Und wenn die Eltern nicht lernen, selbstständig zu denken und natürliche Häufigkeiten zu verwenden, werden sie womöglich vollkommen gesunde Kinder abtreiben.
Das Versagen der medizinischen Fakultäten
Einige Psychologen vertreten die
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