Riskante Geschäfte
lokalen Fall. Man hat mich zu Ihnen geschickt, weil ich Sie nach einigen Details Ihrer Arbeit bei Kriegsende fragen soll.« James Bond hielt inne und blickte prüfend auf Major Smythe herab. »Es geht insbesondere um die Zeit, die Sie für das Miscellaneous Objectives Bureau, das Amt für Sonderaufgaben, tätig waren.«
Major Smythe ließ ein grelles Lachen hören; es klang fast wie der Schrei eines getroffenen Mannes. Das hatte er kommen sehen! Er war ganz sicher, daß es kommen mußte. Aber als dieser James Bond es aussprach, da konnte er sich das Lachen nicht verkneifen.
»Gott ja, natürlich! Das gute alte MOB! War das ein Spaß!« Er lachte wieder. Seine Brust saß wie in einer eisernen Zwinge. Ihm war klar, was nun kommen mußte, und der Druck in seiner Brust wurde immer schmerzhafter. Er schob die Hand in die Hosentasche, holte eine von den weißen TNT-Pillen aus dem Röhrchen und steckte sie möglichst unauffällig in den Mund. Der gespannte Ausdruck des andern, der Blick aus den engen Augen, amüsierte Major Smythe. Schon gut, mein Sohn. Es ist keine Todeskapsel.
»Haben Sie auch Ärger mit Sodbrennen? Nein? Mich erwischt's nach jedem Zug durch die Gemeinde. Letzte Nacht zum Beispiel. Party in der Jamaica Inn. Man sollte wirklich nicht mehr so tun, als ob man noch fünfundzwanzig wäre. Aber reden wir lieber vom MOB. Sind wahrscheinlich nicht mehr viele von uns übrig.« Er spürte, wie der ziehende Schmerz aus seiner Brust wich. »Hat es etwas mit den offiziellen Protokollen zu tun?«
Bond betrachtete die Glut an seiner Zigarette. »Nicht direkt.«
»Sie wissen vermutlich, daß ich für die amtlichen Aufzeichnungen den größten Teil der Beiträge über unsere Einheit verfaßt habe. Ist lange her. Glaube kaum, daß ich heute noch etwas hinzufügen könnte.«
»Auch nichts für das Unternehmen in dem Tiroler Ort Oberaurach in der Nähe von Kitzbühel?«
Dieser Name hatte Major Smythe all die Jahre hindurch verfolgt. Ein gequältes Lachen entrang sich seinen Lippen. »Ein Kinderspiel! Leichter ging's gar nicht. Die harten Burschen von der Gestapo waren alle stinkbesoffen. Aber ihre Akten, die waren tipptopp geführt. Haben uns das Zeug ohne Widerrede ausgehändigt. Vielleicht wollten sie sich damit ihr Los erleichtern. Wir haben die Unterlagen flüchtig überprüft und dann die ganze Bande ins Lager München abgeschoben. Hab danach von den Burschen nichts mehr gehört. Wahrscheinlich sind die meisten als Kriegsverbrecher gehenkt worden. Die Papiere haben wir in Salzburg dem Hauptquartier übergeben. Danach haben wir bei Mittersill am Großglockner nach dem nächsten Versteck gesucht.« Major Smythe trank einen großen Schluck aus seinem Glas und zündete sich eine Zigarette an. Dann blickte er auf. »Tja, das war's wohl in großen Zügen.«
»Soviel ich weiß, waren Sie damals Stellvertreter des Kommandeurs. Chef der Einheit war ein gewisser Colonel King aus General Pattersons Armee.«
»Stimmt. Ein netter Kerl. Mit seinem Schnurrbart hat er gar nicht wie ein Amerikaner ausgesehen. Und ein Weinkenner! Ein sehr kultivierter Bursche.«
»In seinem Bericht über das Unternehmen erklärte er, daß er Ihnen alle Unterlagen zur Durchsicht gegeben hätte, weil Sie damals der Experte für Deutsch in der Einheit waren. Sie haben die Unterlagen dann mit entsprechenden Bemerkungen wieder zurückgegeben?« James Bond machte eine Pause. »Jedes einzelne Papier?«
Major Smythe überhörte die Anspielung. »Ja, das stimmt. Es waren in der Hauptsache Namenslisten der Abwehr. Die CI-Leute in Salzburg waren von dem Material begeistert. Das gab eine Menge neuer Hinweise. Die Originale müssen noch irgendwo rumliegen, nehme ich an. Sie sind auch bei den Nürnberger Prozessen benutzt worden... Ja, tatsächlich!« Major Smythe verlor sich in Erinnerungen. »Das waren wohl die schönsten Monate meines Lebens, das Vagabundendasein mit dem MOB. Wein, Weib und Gesang! Wirklich, eine herrliche Zeit.« In diesem Punkt sagte Major Smythe die reine Wahrheit. Für ihn war der Krieg bis 1945 gefährlich und ungemütlich gewesen. Als 1941 die Sonderkommandos gebildet wurden, ließ er sich freiwillig von den Royal Marines ins Vereinigte Hauptquartier unter Mountbatten versetzen. Sein ausgezeichnetes Deutsch (seine Mutter stammte aus Heidelberg) hatte ihm die undankbare Aufgabe eingetragen, als Dolmetscher die Vorhut über den Kanal begleiten zu dürfen. Er hatte aber Glück und überstand die zwei Jahre unversehrt und erhielt für
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