Riskante Liebe
das zarte Blau zeichnete sich etwas Dunkles, Insektenähnliches ab, das in immer enger werdenden Kreisen nach unten auf die hohen Baumwipfel des Waldgebietes, welches sich linkerhand der Höhle erstreckte, hinabsank. In meinen Ohren gellte ein schriller Pfeifton, der abrupt erstarb, als das undefinierbare Ding krachend und knirschend zwischen den Bäumen verschwand. Die Spitzen der hohen Tannen dort hingen nun teilweise abgeknickt herunter. Ich war aufgesprungen und starrte unschlüssig auf die Stelle, wo das Ding verschwunden war. Meine Neugierde überwog die Furcht vor dem Unbekannten.
Ich ließ alles stehen und liegen, ergriff meine Steinschleuder samt Munition und eilte über die Felsen i n die Richtung, wo sich das abgestürzte Etwas nun befinden musste. War es ein Raubvogel gewesen, der sich auf Beute gestürzt hatte? Aber dem Aufprall nach zu urteilen, musste er sich verletzt haben oder gar tot sein. Zudem kannte ich keinen Raubvogel in dieser Größe. Und Vögel brummten nicht. Als ich den Rand des Waldes erreichte, wurde ich langsamer.
Durch den typischen Geruch nach Baumrinde, frischem Grün und Harz hindurch witterte meine Nase etwas Unbekanntes. Etwas stank. Scharf, beißend und unangenehm. Die Vögel, deren Gesang und Gezwitscher wegen des ungewöhnlichen Lärms vorübergehend verstummt war, begannen, wieder Laut zu geben und ich bezähmte meine Aufregung ebenfalls. Momentan schien keine unmittelbare Gefahr von dem seltsamen Ding, das durch die Bäume herabgestürzt war, auszugehen. Die dicken Stämme der Baumriesen als Tarnung nehmend, schlich ich auf die Absturzstelle zu.
D as seltsame Gebilde, das ich am Himmel gesehen hatte, schimmerte glitzernd wie eine von der Sonne beschienene Wasseroberfläche und lag inmitten einer strauchbewachsenen Lichtung. Es war etwa so groß wie Jolarias Hütte, besaß aber keine Ecken und Kanten. Es hatte Ähnlichkeit mit einem riesigen Insekt, stand auf zwei dünnen Füßen und obendrauf drehte sich ein immer langsamer werdender Flügel. Der unangenehme Geruch wurde stärker. Magisch angezogen schlich ich geduckt auf das fremdartige Ding zu. In seiner Mitte klaffte ein Loch und davor lag etwas … Etwas, das sich leicht bewegte, stöhnte und dann wieder ruhig lag. Ein Tier? Ich hielt meine Schleuder mit eingelegtem Stein griffbereit und ging vorsichtig direkt darauf zu, immer darauf gefasst, eine unliebsame Überraschung zu erleben und angegriffen zu werden, von was auch immer. Aber das Bündel lag jetzt ganz still. Eine Falle? Manchmal stellten sich Tiere leblos, um dann, wenn man sich ihnen genähert hatte, blitzartig anzugreifen. Noch während ich kurz überlegte, Hilfe aus dem Dorf zu holen, erkannte ich, dass ein menschliches Wesen vor mir lag. Ein Wesen, das bewusstlos und verletzt war. Blitzartig wurde mir klar, dass diese Gestalt zusammen mit dem komischen Ding vom Himmel heruntergefallen war. Bei diesem Gedanken verspürte ich ein seltsames Prickeln in meinem Nacken und fühlte mich, als ob mir jemand Eiswasser über den Rücken gießen würde. War dies eine der Göttinnen, die Seratta immer beschwor? Aber als die Gestalt vor mir wieder ein schwaches Stöhnen von sich gab, verflog mein Unbehagen. Göttinnen waren allmächtig. Sie stürzten nicht vom Himmel und kannten auch keine Verletzungen.
Sonnenlicht strömt e durch die großen Fenster im vorderen Teil des Dings und ich erkannte an der wie eine Nuss-Schale geformten Sitzgelegenheit in dem seltsam wirkenden Innenraum, dass es sich um eine Art Fluggerät handelte, in welchem das Lebewesen gesessen haben musste und beim Aufprall herausgeschleudert worden war. Seit wann gab es – außer den Vögeln – Lebewesen, die fliegen konnten? Bereits als Kind hatte ich den brennenden Wunsch verspürt, mich wie ein Vogel hoch hinauf zu schwingen, mich frei und unbeschwert zu fühlen und alles von oben betrachten zu können. Ich hatte die kleinen Vögel dabei beobachtet, wie sie mit ihren Flügelchen geflattert und herumgehüpft waren, sich mutig von den Rändern ihres Nestes nach unten stürzten und dann, getragen von der Luft unter ihren Schwingen, das Fliegen instinktiv beherrschten.
Als ich später bei Jolaria wohnte und mit ihr zusammen Nahrung und Kräuter sammelte, breitete ich oft meine Arme aus, wedelte damit wild auf und ab, und rannte, so schnell ich konnte, in der Hoffnung abzuheben, aber meine Füße blieben immer am Boden. Ich war beinahe fest entschlossen, dasselbe von einem hohen Felsen herab zu
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