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Riskante Liebe

Riskante Liebe

Titel: Riskante Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cara Enders
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mitbrachte. Jolaria nickte ihr freundlich zu, schloss, offensichtlich erschöpft von den vielen Worten, die sie gesprochen hatte, die Augen und schlief wieder ein.
    Das, wovor ich stets die Augen verschloss, weil ich mir einfach nicht vorstellen wollte, dass mein Opfer umsonst gewesen war, geschah.
    Jolaria starb, unbemerkt von mir, in den frühen Morgenstunden eines nebligen Tages. Als ich die Augen aufschlug, wunderte ich mich über die absolute Stille, die in der Hütte herrschte. Ich war daran gewöhnt, nachts mehrfach aufzuwachen und Jolarias schweren Atem, ihr Husten oder die Geräusche, wenn sie sich unruhig auf ihrem Lager hin und her wälzte, zu vernehmen. 
Ich brauchte nur einige Sekunden, bis ich endgültig wach war, aufsprang und zu ihr hinüber lief. Sie lag reglos auf dem Rücken, die Arme seitlich am Körper. Ihr schönes Gesicht trug einen friedlichen, entspannten Ausdruck. Mit ihren weit geöffneten Augen, den Blick nach oben gerichtet und dem leisen Lächeln auf ihren Lippen erschien sie jung und gesund, beinahe so wie vor ihrer Krankheit. Aber ihr früher kräftiger, schlanker Körper wirkte unter der Zudecke klein und ausgemergelt. Ihre Brust hob und senkte sich nicht mehr. Blind vor Tränen tastete ich nach ihrem noch warmen Handgelenk und suchte vergeblich nach ihrem Herzschlag.
    Ich umfing sie mit beiden Armen, legte ihr verzweifelt meinen Kopf auf die Brust und trauerte erneut, diesmal um den letzten Menschen, der mir nahestand. Ich wusste nicht, wie lange ich so dalag, bis mich eine zarte Berührung an meinem Rücken aus den lebhaften Erinnerungen davon, was ich mit Jolaria zusammen alles erlebt hatte, in die Wirklichkeit zurückholte. Ich schrak vom erkalteten Körper meiner Hüttengenossin hoch. Wenn man von der Liebe ausging, die sie für mich in unzählig vielen kleinen Gesten empfunden und gezeigt hatte, dann war sie meine Mutter gewesen und ich beschloss, sie als solche in meinem Herzen zu behalten. Unwirsch und mit tränenverschleierten Augen sah ich in Zarias ernstes, trauriges Gesicht und hasste sie beinahe dafür, dass sie meine letzte Gelegenheit, allein mit Jolaria zu sein und ungestört Abschied nehmen zu dürfen, unterbrach.
    »Was willst du? Du brauchst heute kein Feuer zu machen. Du siehst doch, dass sie von uns gegangen ist.«
Ich empfand noch mehr Abneigung, als sie, anstatt die Hütte zu verlassen, um mich herum ging, auf der anderen Seite neben Jolaria niederkniete, die Hand ausstreckte und Jolarias Lider mit einer sanften, aber endgültig wirkenden Bewegung schloss. Dann blickte sie mich an.
    »Wann willst du Seratta Bescheid geben?«
Wenn es nach mir ging, gar nicht. Der Gedanke, Seratta könne mit ihrem Gefolge hier hereintrampeln, Jolarias Leiche berühren und ihre Anweisungen bezüglich des weiteren Vorgehens erteilen, verursachte mir Übelkeit. Ein weiterer unangenehmer Gedanke durchzuckte meinen Kopf: Nun, da ich allein in der Hütte wohnte, würde Seratta garantiert verfügen, dass Zaria zu mir ziehen solle. Ich wollte dieses seltsame Mädchen keinesfalls auch noch nachts in meiner Nähe haben. Ich verstand auch nicht, was Jolaria in ihr gesehen hatte. Die nächtliche Dunkelheit und Einsamkeit waren mir lieb und wertvoll geworden, da es die einzige Zeit war, in der ich meiner Trauer ungehemmt freien Lauf lassen konnte. Jetzt umso mehr, da nun alle, die mir etwas bedeutet hatten, fortgegangen waren. Und die Vorstellung, Zaria könne in der Nähe liegen, wenn ich in meine Decke schluchzte oder gar in meinen lebhaften Träumen von Drake seinen Namen rief, war mir zutiefst unangenehm.
    »Ich werde ihr gar nichts erzählen, Zaria. Ich möchte einfach noch einige Zeit in aller Ruhe von Jolaria Abschied nehmen. Verstehst du das?«
Es war eine unausgesprochene Aufforderung an sie, mich allein zu lassen. Sie begriff es nicht, oder wollte es nicht wahrhaben, blieb mir gegenüber sitzen und ergriff Jolarias Hand. Wenigstens hielt sie ihren Mund und so saßen wir beide in unsere Trauer und Erinnerungen versunken, bis die draußen vor der Hütte aufkommenden Geräusche verrieten, dass auch die übrigen Dorfbewohnerinnen erwacht waren und ihr Tagwerk begannen. Es dauerte nicht lange und ich vernahm Serattas laute Stimme. Sie schien einen besonderen Sinn dafür zu besitzen, wenn etwas Außergewöhnliches geschah, und schlug kurz darauf das Fell, welches den Eingang bedeckte, zurück. Wie ich vorausgesehen hatte, war es mit unserer Ruhe vorbei. Sie erfasste rasch, dass

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