Riskante Versuchung
spontan seinen Wagen überlassen, damit Ian sie in Ruhe ließ. Ian sollte den Wagen später am Abend wieder zurückbringen. „Ich dachte, ich brauche ihn heute nicht mehr. Ich kann ein Taxi rufen …“
„Nein“, unterbrach Jess ihn. „Das ist nicht nötig. Wir werden schon in meinem Wagen hinkommen.“ Erneut schenkte sie ihm ein strahlendes Lächeln. „Ich werde vorsichtshalber die Busroute nehmen.“
„Wenn Sie wollen, kann ich mir Ihren Wagen mal ansehen“, bot er an. „Ich kenne mich ganz gut mit ausländischen Motoren aus.“
Sie schien verblüfft zu sein. Welcher Computerfreak kannte sich schon mit Autos aus? Aber sie gab keinen Kommentar dazu ab und stellte auch keine einzige Frage. Sie akzeptierte einfach die winzigen Bröckchen persönlicher Informationen über ihn, die er ihr hinwarf. Mit anderen Worten, sie respektierte seine Privatsphäre. Doch er merkte ihr an, dass sie darauf hoffte, er werde sich ihr gegenüber öffnen und wirklich mit ihr reden. Pech für sie, denn das würde nicht passieren. Er würde all ihre Fragen unbeantwortet lassen.
„Fahren Sie Ihren Wagen aus der Garage“, forderte er sie auf. „Ich muss zuerst ein paar Anrufe erledigen, dann sehe ich ihn mir an.“
„Einverstanden“, erwiderte sie. „Danke.“
Sie benutzte ihren Schlüssel, um den automatischen Garagentoröffner zu aktivieren. Das Tor an der Seite des Hauses schwang nach oben. Jess verschwand im kühlen Dunkel der Garage, und kurz darauf sprang ihr Wagen mit einem gedämpften Röhren an.
Rob wurde das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden. Er sah zum heruntergekommenen Nachbarhaus. Und tatsächlich, Mr Greene saß im Rollstuhl auf seiner Veranda und starrte mit unheilvollem, kaltem Blick auf ihn herunter. Rob hatte den alten Mann sogar dort sitzen sehen, wenn er erst spät nach Hause kam - nach zwei Uhr morgens. Mr Greene beobachtete ihn immer. Er sah aus wie ein greiser römischer Herrscher, bereit, das Urteil zu fällen, indem er den Daumen hob oder senkte.
Daumen runter - das schien zu dieser Situation zu passen.
Verdammt, dachte Rob, ich muss damit aufhören, bevor hier alles außer Kontrolle gerät. Er sollte Jess sagen, dass er nicht mit in den Pelican Club kommen konnte. Und er sollte ihr sagen, dass er ausziehen würde.
Jess fuhr rückwärts aus der Garage, stellte den Motor aus und stieg aus dem Wagen. Als sie auf Rob zuging, wehten ihre Haare in der Brise. Er konnte nicht anders und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Dabei trafen sich ihre Blicke, und Jess lächelte. Und in diesem Moment vergaß er alles, was er ihr hätte sagen müssen. Sein Verstand schien genauso zusammengeschrumpelt wie der Wurm, den Kelsey im Garten gefunden hatte.
Rob begehrte Jess, wie er noch keine Frau jemals zuvor begehrt hatte. Das Ganze ging jedoch weit über körperliches Verlangen hinaus, auch wenn davon reichlich vorhanden war. Doch da war auch jene unfassbare Sehnsucht nach einem ganz normalen Leben, nach der Chance auf inneren Frieden.
„Ich ziehe mich jetzt lieber um.“ Jess klang ein wenig atemlos, als sie einen Schritt zurückwich. „Schließlich will ich nicht zu spät kommen.“
Rob schaute ihr hinterher, wie sie die Verandastufen hinaufstieg, und fragte sich, wie er jemals allein klarkommen sollte, wenn das hier vorbei war.
Jess betrachtete sich im Schlafzimmerspiegel. Das Kleid, das sie trug, stammte aus Studientagen an der Berkeley School of Music. Es war schwarz und hatte einen umgeschlagenen tiefen V-Ausschnitt, der mehr als den Ansatz ihrer Brüste zeigte. Ihre Arme waren nackt, der Rock endete deutlich oberhalb der Knie. Früher war es länger gewesen, doch Jess war dem Kleid mit ihrer Schere zu Leibe gerückt, um ihre Garderobe ein wenig aufzupeppen, ohne dabei Geld ausgeben zu müssen. Das Resultat war immer noch elegant und zeigte viel Bein. Tja, das ist Showbusiness, dachte sie ironisch und schlüpfte in ihre schwarzen Pumps.
Sie kramte in ihrer Handtasche und fand ihr Make-up. Mit der Bürste fuhr sie rasch durch ihr glänzendes dunkles Haar, nahm die Onyx-Ohrringe aus dem Schmuckkästchen und legte sie an.
„Ich bin fertig“, stieß sie atemlos hervor, als sie mit ihrer Gitarre auf die Veranda trat und die Tür hinter sich abschloss.
Kelsey und Rob erwarteten sie, als sie die Treppe hinunterkam. Doch während ihre Tochter auf der Schaukel nur kurz aufschaute, starrte Rob sie gebannt an.
Er wischte sich die Hände an einem Lappen ab und klappte die Motorhaube ihres
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