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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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die alte Wirklichkeit tatsächlich auflösen, und wo mitten unter den gewaltigen Inschriften auf Wänden und Bretterzäunen das eine, das mächtige alchimistische Wort auftauchte, das die politische Polizei dazu brachte, mit dem Verbrennen ihrer Papiere zu beginnen, und das de Gaulles Kanzleibeamte zu dem Versuch veranlaßte, mit stumpfen Federmessern ihre Namen von den schlimmsten Dokumenten zu kratzen:
    DER TRAUM IST WIRKLICHKEIT
    ausgerechnet in diesem Frühjahr war es auch schon zu Ende. Unerbittlich tickten die feinen Uhrwerke weiter in ihrer sicheren newtonschen Zeit. Ihre heimlichen Unruhen hatten sich verschoben, die Bremsblöcke waren in ihren mächtigen Ketten herabgefallen, die Gewichte, Zehntausende von Tonnen schwer, zeigten wieder nach unten.
    In Piranesis bitteren Gefängnissen spielt sich alles im Innenraum ab, und wird eine Öffnung sichtbar, ein Gewölbe, das das Tageslicht hereinläßt, dann bemerkt man gleich dahinter ein weiteres Gewölbe.
    Sekten tauchten auf. Finstere Ketzergruppen gediehen. In abseits gelegenen Wohnungen in Östermalm sonderten sich fanatische Jugendliche ab, die sich eben noch Seite an Seite mit den anderen auf der Barnhusgatan geschlagen hatten, schalteten das Radio aus, zerrissen die Zeitungen und begannen mit methodischer Langsamkeit und nicht ohne jenes Quentchen von Gewalt und ausgeklügelter Grausamkeit, das ein Kennzeichen der heiligen Inquisition ist, einander methodisch auszumerzen.
    Man setzte die Volksschullehrerbrille auf, zog ein sektiererhaftes Gesicht und sprach von unser aller Schuld und Sünde. Da war ein Zischen wie von Schlangen, ein Seufzen wie auf Gebetsversammlungen.
    Der alte Feind war wieder da, aber diesmal kam er von einer ganz unerwarteten Seite, und bald hatten wir wieder das gewohnte alte tabakbraune skandinavische Gebetshaus statt der neuen, der freien Kathedrale der erträumten Welt. Wir hatten geglaubt, nur noch um Haaresbreite von einer ästhetisch-erotischen Gesellschaft entfernt zu sein, und drückten doch schon die Armesünderbank.
    (Du lügst, du Teufel! Du hast nicht recht!)
     
    Die sechziger Jahre waren zu Ende gegangen. Die Kriege dauerten an, die Gegensätze nahmen zu. Die Demonstranten verschwanden von den Straßen, Sekten und Ketzergruppen verschwanden in einem Laubhaufen zusammen mit dem braunen Laub des Vorjahres, das unter den von Abgasen halb erstickten Bäumen der europäischen Boulevards zusammengekehrt wurde.
    Aber etwas blieb zurück. Der lange Marsch durch die Institutionen begann. In seit langem versteinerten Körperschaften begann man wieder miteinander zu reden. Funktionäre, die seit der Nachkriegszeit selbstgefällig auf ihren Floskeln des Einverständnisses herumgekaut hatten, spürten eine Unruhe, ahnten in der Abenddämmerung etwas fast Vergessenes. Es entstand eine Unruhe, sie kam und ging, aber sie war da.
    Und die Sprache, wie veränderte sie sich nicht! Wie viele tote alte Phrasen, wieviel morsches Lügenwerk wurde da nicht ausgemerzt!
    Es war, als hätten die Menschen zu guter Letzt miteinander zu reden begonnen, als wäre nur noch wenig Zeit übrig, als hätten sie es alle eilig.
    1964 hatten wir nachts Träume anderer Art zu träumen begonnen.
    Aber im Laufe des Dezenniums sollte es noch einmal zu einer Veränderung unserer Träume kommen.
    Die verborgene Gesellschaft unter der sichtbar triumphierenden; das Vertrauen, das ursprüngliche naive Vertrauen war ein für allemal erschüttert, aber das Vertrauen auf die Sprache, auf die kompromißlerischen Phrasen, auf die Versicherungen der Machthaber, daß wir in der besten aller Welten lebten, war auch bei den Machthabern selbst erschüttert, so daß jeder sich schließlich umblickte, als hätte er jemand anders hinter sich stehen.
    Und im Herbst 1969, als die Zeitungen sich rasch umorientierten, die Formulierungen sich änderten, die Löwen der großen Worte sich wie verschreckte Mäuse in ihre Löcher verkrochen angesichts der Androhung einer Handelsblockade von seiten der mächtigen und kriegführenden USA, ja, da war es, als wäre niemand imstande gewesen, dieses Schauspiel (wie viele solche kleine Pantomimen hat die Geschichte nicht schon gesehen) anders zu nennen als bei seinem rechten Namen.
    Und da war niemand, der nicht innerlich über dieses abgeschmackte Spektakel höhnisch gelacht hätte.
     
    Und gerade in den letzten Jahren dieses Dezenniums war es, als ob inmitten all dieser Verwirrung, all dieser Lügenhaftigkeit, die ihre Blöße mit ihren

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