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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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zu überwinden. Nach diesen Worten ließ sie mit einem kurzen, unbeschreiblichen kleinen preußischen Lachen den Wagen in den Verkehr hinausgleiten, kreuzte mit verbissener Miene eine riesige Chaussee, wo kreischende Bremsen anzeigten, daß es nicht allen so leicht fiel wie ihr, die Angst zu überwinden.
    Mit einer Geschwindigkeit von achtzig Stundenkilometern bewegten wir uns durch den dichten abendlichen Verkehr, durch Steglitz auf das idyllische Friedenau zu.
    Man konnte in diesem Nebel kaum etwas von der Außenwelt erkennen; wir durchquerten unbekannte Vorortviertel, bis plötzlich die rote Backsteinkirche, die zu den vernehmlichen architektonischen Schönheiten Friedenaus zählt, aus dem Nebel auftauchte.
    Hier passierte der erste Zusammenstoß. Er war nur ganz leicht; ich hatte sie gebeten, unvorsichtigerweise, könnte man meinen, aber im nachhinein hat man gut reden, mir die hegelianischen Wurzeln des marxistischen Mystifikationsbegriffes zu erläutern.
    Mit dem gleichen unbeschreiblichen, kurzen preußischen Lachen wie vorhin kletterte sie aus dem Auto, stellte fest, daß der rechte elegante Kotflügel des parkenden Sportwagens verbeult war, daß er aber bestimmt von dem Gummihammer eines erfahrenen Autoklempners wieder gerichtet werden könnte, und steckte mit einer Geste, die von beachtlicher Übung zeugte, eine Visitenkarte aus ihrer imponierenden Handtasche unter den Scheibenwischer des fremden Wagens.
    Nach weiteren fünfzehn Minuten mußten wir beide feststellen, daß wir offenbar in einem unüberwindlichen Labyrinth von Einbahnstraßen gelandet waren. Sie lachte wieder ihr preußisches Lachen – ein Mittelding zwischen einem kurzen Schnauben und einem Niesen, und stellte fest:
    – Es sieht so aus, als hätten wir Schwierigkeiten, die Fregestraße zu finden.
    – Ich könnte eine Ewigkeit hier drinnen bei Ihnen sitzen. Lassen Sie sich Zeit.
    Auf diese Erwiderung hin ließ sie sich mit einem warmen, perlenden weiblichen Lachen über das Steuer nach vorn fallen, und dann, nachdem sie lange in dieser Stellung weitergefahren war, sah sie mit vor Lachen tränenfeuchten Augen zu mir auf.
    In diesem Augenblick passierte der zweite Zusammenstoß.
    Seltsamerweise war es wieder ein roter Sportwagen, aber diesmal komischerweise ein Volvo, dem der hintere Kotflügel eingedrückt worden war.
    Wir waren gerade dabei, die Visitenkarte unter dem Scheibenwischer zu befestigen, als ich aufsah und das Haus hinter der Gitterpforte wiedererkannte.
    Ich lud meine Taschen aus, setzte mich wieder in den Wagen, legte den Kopf in ihren Schoß und flüsterte:
    – Wir müssen uns wiedersehen!
    Mit ihrer starken, sommersprossigen Hand strich sie mir übers Haar, griff rasch in ihre Handtasche und reichte mir noch eine ihrer offenbar zahllosen Visitenkarten. Ich steckte sie in meine Hemdtasche.
    Machtlos sahen wir einander einen Augenblick lang an, mit uralter Vertrautheit strichen wir einander übers Haar.
    Mit einem Kreischen verschwand der kleine Wagen um die Ecke, und ich kehrte zu meinen Taschen am Straßenrand zurück, der erfahrenen Aktenmappe und der großen grauen. Ein magerer Mann in weißen Hosen aus englischem Leder und einem weißen Sweater lehnte sich nachdenklich über den Zaun und betrachtete mich. Er mußte schon lange dort gestanden haben. Mit uraltem Eidechsenglanz leuchteten die Augen in seinem Reptilgesicht.
    – Du bist ziemlich spät dran, sagte er und nahm meine Tasche. Endlich stand ich vor meinem Freund E.
    – Du hast dich nicht verändert, sagte er.
    – Ich habe einen Bart, sagte ich.
    – Ich glaube nicht, daß dieser Bart etwas Besonderes bedeutet, sagte er.
    Mit tiefer Zuneigung betrachtete ich dieses seltsame Geschöpf. Er hatte mich schon mindestens einmal gerettet.
    In dem riesigen, hellen Wohnzimmer wartete bereits die Teekanne auf uns.

Kurze Unterbrechung der Erzählung
     
    Die sechziger Jahre waren zu Ende gegangen. Frühling und Herbst zugleich, die Zeit, als der Wind zu wehen begann! Die Zeit, als unsere kollektiven Träume sich veränderten und uns tief in den nächtlichen Schlaf hinein verfolgten mit ihren schwachen, deutlichen Warnsignalen, diese Zeit des beginnenden Sturms, des blankeren Eises, der größeren Einsamkeit; und die Zeit, als die Menschen einander wieder fanden; wie kurz, wie bedeutungslos erschien nicht diese Zeit, als sie plötzlich zu Ende war! Ist sie vielleicht doch nur eine Schwelle gewesen?
    Nach und nach triumphierte in den Ländern Europas die durch Gesetze

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