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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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eines mächtigen Ulmenwipfels.
    Gegenüber, auf der anderen Seite der Straße, wohnte ein zierliches dunkelhaariges Mädchen, und zur Winterzeit pflegte ich mit Schneebällen an ihre Fensterscheibe zu klopfen, die ich vorsichtig von meinem Fenster aus hinüberwarf.
    Die Jahre vergingen.
    Dann begann sich dieser bleiche Lehramtsanwärter in den Zeitungen schrittweise zu verändern. Ich weiß weder, wo man die Bilder herbekam, noch weiß ich, wie man sie Schritt für Schritt zu verändern wußte, aber an einem Frühlingstag im Jahre 1969 merkte ich, daß die Entwicklung abgeschlossen war.
    Aus jeder Zeitung sah mir jemand entgegen, der angeblich ich sein sollte, der aber tatsächlich so etwas war wie ein böser Zwerg, der kaum mehr sein Wasser halten konnte, ein boshafter Gnom, der aber unbedingt Pipi machen mußte, eine Art Inbegriff aller Kälte, Abstraktion und Teufelei, eine Art schiefmäulige, gefühllose Mißgeburt.
    Da legte ich mir meinen großen, dichten, starken Vollbart zu, nicht unähnlich dem braunen Fell eines Bären.
    Damit habe ich mich ein für allemal von dem Bild distanziert, das die Öffentlichkeit von mir hat. Macht nur weiter mit euren schiefmäuligen Monstren! Wer, wenn er meinen Namen hört, sich einen boshaften Zwerg vorstellt, der kaum mehr sein Wasser halten kann, mag das jetzt nach Lust und Laune tun.
    Bitteschön! Greift zu! Mir könnt ihr nichts vormachen!
    Ich kenne euch wohl! Ich weiß Bescheid über euch, ihr kreischenden und grinsenden Wasserspeier unter den Regenrinnen der Zeit, ich kenne euer teuflisches Gelächter. Noch ist eure Frist nicht abgelaufen, noch seid ihr nicht zu schön geformtem Sandstein erstarrt!
    Ich kenne dich wohl, du kläffende, bellende, winselnde Hundemeute!
    Verwachsene Windhunde mit eigentümlich tränenseligen, großen blutdürstigen Augen, Ulmer Doggen mit roten geifernden Lefzen, triefend vor Gier! Bizarre Köter, aus verschiedenen Rassen gemischt, die nur ein heiseres, krächzendes Bellen zustande bringen, und Möpse, massenhaft Möpse, unglaubliche Mengen von fetten, kurzbeinigen kleinen Möpsen – wer hätte gedacht, daß ihr so schnell laufen könnt? Und Schoßhunde sind dabei, die niedlichsten Schoßhunde mit kleinen roten Schleifen und Bändchen, chinesische Schoßhündchen, alle müssen sie dabeisein! Schnell, schnell!
    Jäger, blas in dein Horn! Es knistert in der verharschten Schneedecke, es leuchtet silberhell auf den verschneiten Feldern, es riecht nach Menschenfleisch. Heute nacht kriegen wir ihn! Schnell, schnell!
    Heute nacht kriegt ihr mich nicht.
    Kurz und gut: deshalb habe ich meinen Bart.
    Unruhig näherte ich mich dem gedeckten Tisch. Die Brotscheiben dufteten in ihrem Korb, die ambrafarbene Apfelsinenmarmelade glänzte, der Tee dampfte in seiner braunen Kanne. Da ich während des ganzen Fluges geschlafen oder zumindest in einer Welt geruht hatte, die dem Schlaf sehr nahe ist, begann ich nun deutlich zu spüren, daß der Hunger wie ein Sturm in mir wütete. Und ohne unser Gespräch fortzusetzen, stürzte ich auf den großen einladenden Tisch zu.
    Ich bin hungrig, immer hungrig, ungeduldig, schnell. Fast alle Ereignisse gehen mir zu langsam. Ich stampfe mit dem Fuß auf und zähle die Minuten, wenn der Zug an einem Zweigbahnhof hält, ich drehe die Telefonstrippe zu einer Spirale, wenn ein wortreicher oder allzu schwerfälliger Mensch mir etwas zu erklären versucht, was ich schon längst begriffen habe. Wenn das Schreiben eines Zeitungsartikels so viel Zeit braucht, daß es sich bis zum Mittagessen hinzieht, werfe ich ihn mit einem Fluch in den Papierkorb und greife das Thema nie wieder auf, im Rundfunkstudio weigere ich mich, die Sendung abzuhören, die ich gerade gesprochen habe. Ich verbrauche alles, Bücher, Freunde, Ideen, als wäre es etwas, das man essen kann.
    (Ich? Oder mein lächerliches Schattenbild? Nicht immer. Nicht immer Ich.)
    Ich bin hungrig. Immer hungrig. Meine Metabolismen brennen wie eine Azetylenflamme.
    Ich esse den ganzen Tag vom Erwachen gegen sechs Uhr morgens an bis zum Schlafengehen um zwölf Uhr nachts. Um Haaresbreite bin ich stets vom äußersten Hunger entfernt, aber mehr auch nicht. Gelingt es mir nicht, eine ständige, gleichmäßige Zufuhr von Essen zu sichern, waschbeckengroße Tassen mit Tee, Beefsteaks, Käsebrote, gerate ich leicht in einen überreizten, zornigen Zustand, der erst in Wutausbrüche übergeht und dann in Apathie.
    Ich bin davon überzeugt, daß ich in tiefe Ohnmacht versinken und dann

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