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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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hoffentlich keine Unannehmlichkeiten, Einbrüche oder ähnliches?
     
    – Jetzt muß ich aber wirklich deutlich werden, sagte Myhrquist. Wie ich Ihnen bereits gesagt habe, komme ich vor einer halben Stunde in diesen Konferenzraum – versehentlich, ich war zum Herrenzimmer unterwegs – und finde einen halbnackten Kerl weinend auf dem Teppich knien. Und dieser Herr hier reicht mir eine Peitsche und fordert mich auf, den Knienden auszupeitschen. Das ist doch widerlich! So was Ekelhaftes, verdammt noch mal! Solche Schweinereien kann man doch nicht einfach dulden. Am allerwenigsten in einem renommierten Konferenzhotel, wo oft wichtige Beratungen auf Ministerialebene stattfinden.
    Es sei die Sache des Hotels und der Polizei, herauszufinden, was hier eigentlich vorgehe, und er werde schon dafür sorgen, daß der Staatssekretär erführe, was für Absonderlichkeiten die Arbeit hier störten. Und falls Zweifel an der Wahrheit seines Berichts bestünden, sei er durchaus bereit, seine Aussagen vor Gericht unter Eid zu wiederholen. Das wäre dann wohl alles.
    Die Polizeibeamten überlegten offenbar ernsthaft, ob sie die ganze Sache auf sich beruhen lassen sollten, da all das offensichtlich so sonderbar war, daß niemand je imstande sein würde, es einem Vorgesetzten zu erklären, und es außerdem etwas unangemessen schien, Leute aus einem so fragwürdigen Anlaß aufs Revier zu schleppen.
    – Sollten wir nicht doch wenigstens irgendwas zu Protokoll nehmen, sagte der eine zum anderen und ließ in diesem Moment eine wasserdichte Taschenlampe auf den Teppichboden fallen.
    Er bückte sich, um sie aufzuheben, und beim Bücken fiel sein Blick auf etwas, das auf einem der eleganten weißen Ledersessel im Foyer lag. Mit energischen Schritten ging er auf den Sessel zu und hob es auf.
    Es war eine Peitsche mit einer langen Schnur aus geflochtenem Leder.
     
    In diesem Moment kam der Staatssekretär Börje Svanhede zur Tür herein. Er war unwahrscheinlich gereizt und noch dazu völlig heiser.
    Er nickte wirkungsvoll in alle Richtungen, ohne überhaupt irgend etwas zu bemerken, und drückte fest auf die Klingel an der Rezeption. Er müsse unverzüglich ein paar wichtige Gespräche führen. Heiser sei er vom Sitzen in einem ungeheizten Wartesaal in Halmstad geworden, als er auf einen Bus wartete, der wegen der Schneeverwehungen einfach nicht kommen wollte.
    – Hör mal, sorg doch bitte dafür, daß wir in fünfzehn Minuten anfangen können, sagte er zu mir, den Telefonhörer ungeduldig ans Ohr gepreßt. Ich muß heute abend schon wieder zurück sein, leider.
    Es sind seltsame Dinge im Gang. Wir müssen später darüber reden. Du kannst doch nach dem Mittagessen einen Spaziergang mit mir machen.
    Während er redete und dann und wann der Telefonvermittlung in der Stockholmer Regierungskanzlei ein ermunterndes Wort zurief – er mußte nämlich unbedingt den Industrieminister erreichen, überblickte er mit seinen hellblauen, munteren Eichhörnchenaugen die Szene mit dem Schwarzbärtigen und Myhrquist, der die Peitsche in der Hand hielt und mit ihr herumfuchtelte, als wolle er dem Polizeibeamten etwas demonstrieren.
    – Was macht ihr denn hier? Irgend so ein Sensitivity Training? Ja, hallo – hallo, hier ist Svanhede, entschuldige bitte die Störung, aber...
    Er wurde ganz still, während der Hörer sehr deutlich und ausführlich über etwas redete.
    Plötzlich wurde mir bewußt, daß ich es war, der hier störte.

Wittfogel, lassen Sie
die Maschinengewehre sprechen!
     
    Eine einfache, aber vielleicht etwas boshafte Art zu beschreiben, worum es bei der Konferenz eigentlich ging, wäre die Behauptung, daß man hier herauszufinden versuchte, was eigentlich die Aufgabe unseres Ministeriums sei.
    Es war 1967 eingerichtet worden, als Reaktion auf eine Untersuchungskommission, die wiederum starke Impulse von ihrer Beschäftigung mit ausländischen Futurologen und Wachstumsexperten bekommen hatte. Ihr Motto war: »Das Wachstum planen«.
    Alles hatte sehr vielversprechend ausgesehen. Wir waren zu einem Anziehungspunkt für eine ganze Reihe von jungen Talenten geworden, denen die tagtägliche Routinearbeit im Finanzministerium und anderswo keinen rechten Spaß machte und die sich in einer reineren, eher abstrakten, spekulativen Atmosphäre wohler fühlten.
    Anfangs erhielten wir eine sehr starke Unterstützung von der Regierung, da das Kabinett damals gerade ein paar Tennis spielende Freunde hatte, die auch die futurologischen Arbeiten der

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