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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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erstaunte Gesichter drehten sich zur Tür. Die Polizisten machten halt. Der Hoteldirektor, so verbissen und schwedisch beherrscht, wie ich es bei niemand für möglich gehalten hätte, flüsterte eine leise Bemerkung in Myhrquists Ohr. Der resoluteste von den Polizeibeamten, mit Pistolenhalfter und Schlagstock, tat einen großen Schritt in den Raum hinein, räusperte sich laut und sagte:
    – Was geht hier eigentlich vor?
    Das war natürlich ein ziemlich mißlungener Anfang, da ja der letzte Depp sehen konnte, daß hier eine amerikanische Vertriebsgesellschaft ein Marketing-Planspiel durchführte.
    Der Redner vorn an der Demonstrationstafel ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, er wiederholte, was er eben gesagt hatte – noch dazu auf englisch –, und alle Vertreter, oder was sie nun sein mochten, wandten sich ihm wieder zu. Der Schwarzbärtige ließ sich gerade nicht blicken.
    Der Polizeibeamte war etwas verunsichert; wir standen dahinten an der Tür: Abteilungsleiter, Ausschußexperten, Polizisten, Ministerialräte auf einem Haufen, alle die Hälse verdrehend, um zu sehen, ob da drinnen wirklich etwas Interessantes passierte. Wir begannen uns langsam, aber sicher etwas deplaciert vorzukommen.
    Aufrichtig gesagt hatten wir den Eindruck, daß wir störten.
    Der Hoteldirektor schien im Boden versinken zu wollen und warf Myhrquist sehr finstere, jedoch beherrschte Blicke zu. Myhrquist erwiderte seine Blicke mit einer solchen Würde und einem so vernichtenden Ausdruck moralischer Entrüstung, daß der Hoteldirektor einen Schritt zurückwich.
    Der Referent an der Demonstrationstafel fuhr, wenn auch etwas ratlos, mit der Aufzählung von vier Maßnahmen fort, die man unbedingt ergreifen müsse, wenn ein Unternehmen in genau die Situation geraten sei, die er sich für ein fiktives Unternehmen ausgedacht hatte. Die erste Maßnahme sei, sich mit dem Markt zu befassen und direkt an der Verkaufsfront Informationen zu sammeln.
    Ich fand diesen Vorschlag ganz einleuchtend.
    Der Einsatzleiter der Polizeistreife, ein rothaariger junger Mann mit Bart, nahm die Mütze ab und fuhr sich nervös mit der Hand durchs Haar. Dann wandte er sich diskret an Myhrquist und sagte leise:
    – Vielleicht können wir uns draußen ein bißchen unterhalten. Ich habe den Eindruck, daß wir hier stören.
    In diesem Moment tauchte der Schwarzbärtige mit der Goldrandbrille auf. Er sah wirklich ein bißchen halbseiden aus. Offensichtlich war er auf der Toilette gewesen.
    Er machte es sich in der letzten Sitzreihe bequem, faltete die kleinen, fleischigen Hände im Schoß und begann andächtig dem Referenten zu lauschen, während ein väterliches Lächeln seine Augenwinkel umspielte.
    – Das, sagte Myhrquist mit sehr lauter Stimme, die den Vortragenden schon wieder aus dem Konzept brachte, das ist der Herr, von dem ich Ihnen erzählt habe. Er zeigte mit einer militärischen Geste auf ihn, das heißt mit senkrecht erhobener Handfläche, statt einfach den Zeigefinger zu benutzen.
    Der Schwarzbärtige drehte sich um und fixierte uns alle dahinten an der Tür. Er sah ernstlich verärgert aus, legte den Zeigefinger an die Lippen und machte psst!. Einer der Polizeibeamten trat vor und flüsterte ihm diskret, äußerst höflich und rücksichtsvoll irgendwas ins linke Ohr. Der Schwarzbärtige nickte verbindlich und folgte ihm.
    Wir versammelten uns nach und nach im Foyer. Der Hoteldirektor war maßlos aufgebracht. Der Schwarzbärtige beantwortete alle Fragen ungeheuer beflissen in seinem texanischen Dialekt:
    Freilich, hier in Varberg werde ein Sensitivity- und Verkaufstraining unter seiner Leitung veranstaltet. Eine Gruppe von schwedischen Filialleitern solle eingeschult werden. Ob er irgendwie behilflich sein könne? Er lege großen Wert darauf, die Öffentlichkeit für die Vorträge zu interessieren, und soweit genug Plätze zur Verfügung stünden, seien selbstverständlich auch alle übrigen Hotelgäste als Zuhörer herzlich eingeladen, falls sie wirklich Interesse hätten. Aber es wäre ihm doch sehr lieb, wenn sie sich etwas leiser verhalten würden: Am selben Morgen sei ein Referent tatsächlich mehrmals bei einem zentralen Punkt seines Vortrags unterbrochen worden. Derartige Kurse seien ja auf ziemlich kurze Zeit beschränkt, und deshalb sei ein Höchstmaß an Konzentration erforderlich. Schließlich wisse doch jedermann, wie wichtig es sei, die Zeit optimal zu nutzen. Aha, die Herrschaften kämen von der Polizei: Sehr erfreut, das Hotel habe

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