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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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Professoren Kahn, Tijnbeergen und Ferenc Janossy lasen.
    Der erste Minister hatte zum inneren Kreis gehört und konnte uns folglich so ungefähr alle Geldmittel beschaffen, die wir haben wollten. Die Pressekonferenzen zur Gründung des Ministeriums waren großartig, sie füllten Dagens Nyheter und Aftonbladet mit gepfefferten Schlagzeilen wie 1990 keine Kühe mehr in Schweden oder 1990 haben wir 30 Kernreaktoren . Wir bekamen so viele Mittel für Forschungsprojekte, so viele Stellungnahmen von amtlicher Seite und gewannen so viele Freunde, daß es ganz offensichtlich war, daß wir mit unserem gesamten futurologischen und spekulativen Wissen eine neue Macht im gesellschaftlichen Leben darstellten. Die Mitarbeiter fuhren von einer Konferenz zur anderen, nach Wien, Hongkong und Kioto, und trafen dort die altbekannte Futurologenclique. Planspiele und Szenarien nach der Delphimethode füllten den Alltag der Arbeitsgruppen aus.
    Es war eine kurze, goldene Zeit.
    Das erste wirklich ernste Warnsignal kam im Herbst 1968, gleich nach der sowjetischen Okkupation der Tschechoslowakei. In der Gewerkschaftspresse begannen einige ironische Leitartikel aufzutauchen, in denen die Frage gestellt wurde, womit wir uns eigentlich beschäftigten, und die vor einer Herrschaft der Experten in lebenswichtigen Entwicklungssektoren warnten.
    Kurz darauf wurde der bisherige Minister überraschend zum Leiter der schwedischen UN-Delegation in New York ernannt.
    Auf dem sozialdemokratischen Parteitag desselben Jahres wurden wir mit keiner Silbe erwähnt.
    Der engbegrenzte Rahmen des Aufgabengebiets stand in einem starken Kontrast zu unseren gewaltigen Ambitionen. Dann kam eine neue Behörde nach der anderen und schnitt sich Segmente aus unserem Arbeitsbereich heraus, fast als wären es Tortenstücke.
    Was der »physische Reichsplan« nicht schluckte, und das waren keine Kleinigkeiten, nahm sich das neugegründete Industrieministerium. Eine Zeitlang setzten wir große Hoffnungen auf die Umweltprobleme und die Möglichkeit, einen Teil unserer Tätigkeit auf sie zu verlegen – das war ja wirklich eine Form von »Das Wachstum planen« –, bis uns schließlich klar wurde, daß die öffentliche Meinung zu einem eigenen Umweltministerium zu neigen begann.
    Nachdem der Minister im Herbst 68 bei den UN gelandet war, wechselten unsere Chefs in rascher Folge. Der zweite Minister ließ sich schon bald ins Reichsbankdirektorium versetzen.
    Dann kam ein blondes Mädchen, eine auf Insekten spezialisierte Dozentin aus Uppsala, die offensichtlich dazu da war, die Regierung mit einer weiblichen Komponente zu versehen. Sie war außerordentlich nett und kollegial, wenn sie sich mal im Ministerium blicken ließ, und entwickelte ein beträchtliches Maß an weiblichem Charme, schien aber nicht recht zu begreifen, womit wir uns eigentlich beschäftigten. Kurz darauf wurde sie Familienministerin.
    Der vierte Minister kam von gewerkschaftlicher Seite. Er hatte ursprünglich als Ombudsmann der Friseure in Örebro Karriere gemacht, und lustigerweise hatte er etwas krause Haare, genau wie es in den vierziger Jahren bei den Friseuren üblich war. Er war ein großer, stets sorgenvoller, stets ernster Mann, der es fertigbrachte, mit einem total undurchdringlichen Gesichtsausdruck sechsstündige Konferenzen zu leiten, ohne auch nur durch ein Achselzucken oder das Heben einer Augenbraue die geringste eigene Meinung zu verraten.
    Wir hatten den Eindruck, daß Svanhede, der Staatssekretär, der die ganze Zeit dabeigewesen war und allmählich alle Rollen vom KÜNFTIGEN FINANZMINISTER bis zum fast vergessenen Staatssekretär in einem Ministerium durchlaufen hatte, über das keine einzige Zeitung mehr etwas schrieb, und der sich dabei seine verbissene Energie, seine Bulldoggeneigenschaften bewahrt hatte, der einzige sei, der noch einen gewissen Kontakt zu unserem selten anwesenden Chef unterhielt. Der Minister schien seine Zeit zwischen einer unendlichen Anzahl von Reichstagsausschüssen und Intrigen im Ortsverband der Gewerkschaft in Örebro aufzuteilen. Er machte nicht den Eindruck, als ob er sich allzusehr mit dem Ministerium identifizierte, was vermutlich klug von ihm war.
    Die Tagung in Varberg stand, wie schon gesagt, im Zeichen der Krise, es war eine ausgesprochene Krisentagung. Irgendwas war faul, schon seit Monaten stank es im weiten Umkreis. Daß die Marxisten in Aftonbladet seit einem halben Jahr ständig auf unsere Entbehrlichkeit hinwiesen und in uns ein Beispiel für

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