Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)
Sie auch hier Tennis?
Der Fahrer antwortete nicht. Statt dessen sprang er aus dem Wagen, öffnete einen kleinen Kasten neben dem Tor und sprach in ein Telefon. Die Türen öffneten sich, wir fuhren zwischen einigen flachen Gebäuden durch.
– Ist das eine militärische Anlage, fragte ich.
– Nein, ich glaube nicht, sagte der Chauffeur ruhig. Es ist wohl irgendeine Fabrik. Ich weiß es nicht genau. Ich bin noch nie hiergewesen.
Ich sah weit und breit keinen Menschen, offenbar hatten die Arbeiter schon Feierabend gemacht. Ein Gabelstapler war ordentlich vor einer Laderampe geparkt, dies war fast das einzige Zeichen von Aktivität, was ich entdecken konnte. Doch an einer kleinen Seitentür aus blaugestrichenem Metall stand ein Herr und winkte uns zu. Er war sehr leicht bekleidet in Anbetracht dessen, daß es ein kalter, spätwinterlicher Nachmittag bei Sonnenuntergang war. Er trug graue Flanellhosen, Turnschuhe und einen weißen Tennissweater. Die Haare waren sehr kurz geschnitten. Er hatte ein helles, offenes Gesicht, ja, er sah wirklich aus wie einer dieser Sportler, die Svensk Filmindustri in ihren Wochenschauen aus den dreißiger Jahren zu interviewen pflegte, norrländische Läufer, die gerade die Schwedische Meisterschaft im Stadion gewonnen haben, der Segelflugmeister des Jahres in Alleberg 1932, der Sieger im Wasalauf von 1929.
– Hallo, sagte er. Ich schätze, du bist Lars Troäng.
– Tag, sagte ich. Das hat wohl seine Richtigkeit.
– Ja, also ich heiße Tom Olofsson. Meine Freunde nennen mich Tommy.
Er mochte älter sein, als er aussah, vielleicht sogar etwas über vierzig, war aber so enorm durchtrainiert, daß er insgesamt den Eindruck eines Mannes unter Dreißig machte. Nur ein paar Fältchen um die Augen und auf der sonnverbrannten Stirn deuteten darauf hin, daß er vielleicht ein bißchen älter war, als es seinen Bewegungen nach den Anschein hatte.
– Wittfogel sagte, du wärst daran interessiert, Racketball zu lernen. Leider haben es ja hierzulande noch nicht sehr viele Leute entdeckt, und du kannst dir vorstellen, daß wir uns über jeden neuen Spieler freuen, den wir kriegen können. Du hast schon viel Squash gespielt, wie ich hörte.
– Na ja, du darfst nicht zuviel erwarten
– Ach was, wir gehen jetzt erst mal ein paar einfache Sachen durch. Wir machen heute sowas wie ein Demonstrationsspiel, damit du ein Gefühl für den Ball kriegst. Und für den Aufschlag.
Hör mal, komm doch bitte herein. Es sieht vielleicht nicht sehr einladend aus, aber es sind die einzigen Räume, die wir bis jetzt in Stockholm haben.
Es sah wirklich nicht einladend aus. Die Tür schwang auf – in enorm schweren, etwas verrosteten Angeln, die jeden Geldschrankknacker hätten abschrecken können. Eine Zementtreppe führte, erstaunlich steil und tief, in das hinunter, was der Keller des Gebäudes sein mußte. Der Verputz blätterte hier und da von den Wänden.
– Geh nur vor, sagte Tommy. Aber halt dich am Geländer fest, die Treppe ist schon ein bißchen abgetreten.
Es waren mindestens vierzig oder fünfzig Stufen, und am Fuß der Treppe wieder eine Tür, die offenbar aus Masonit war oder vielleicht aus irgendeinem feuerfesten Material. Tommy stieß sie auf, und wir befanden uns in einem erleuchteten, angenehm warmen Korridor mit frisch gestrichenen Wänden und Türen rechts und links. Mir fiel auf, daß an einigen Stellen die Türen durch kleine Luken ersetzt worden waren, ungefähr fünfundsiebzig Zentimeter im Quadrat. An jeder Luke befand sich ein Stromschalter, daneben stand die Aufforderung EINMAL MIT DEM LICHT BLINKEN. ERST NACH ZEHN SEKUNDEN ÖFFNEN.
Der Korridor machte eine Biegung. Gerade als wir um die Ecke bogen, prallte ich zurück. Eine gewaltige Salve von Schüssen hallte von fern, offenbar durch dicke Wände gedämpft, durch den Korridor, und dann noch eine.
Was zum Teufel! dachte ich.
Tommy legte schützend einen muskulösen Arm um meine Schultern.
– Was denn! Hast du dich erschreckt! Das ist ein Pistolenschützenverein, der auch hier unten trainiert. Aber am anderen Ende des Kellers.
UMKLEIDERAUM stand auf einem Schild. Wir gingen hinein. Warme, dampfgeschwängerte Luft schlug uns entgegen. Dicke, angenehme Bastmatten bedeckten den Boden. Metallschränke standen in einer langen Reihe an der Wand. Duschen, große Stapel von weichen Frottiertüchern, eine Waage, ein Sandsack, der an einer Feder von der Decke hing, bequeme Bänke, auf die man sich setzen konnte, wenn man sich die
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