Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)
nicht auf.)
Es begann Frühling zu werden, jetzt kamen diese phantastischen Märztage mit Tauwetter und Glatteis unter den Füßen, wenn es dämmerte, die Birken vor dem Haus in Kungsängen draußen begannen ein bißchen violett auszusehen, und Siskan beklagte sich darüber, daß wir nie Zeit hätten, etwas Nettes zu unternehmen, wenigstens einen kleinen Ausflug mit dem Auto oder sonntags eine Fahrt in die Stadt mit den Kindern, um in den Tierpark Skansen zu gehen. Sie wirkte jetzt fröhlicher, sie hatte tatsächlich ihr Psychologiestudium angefangen und suchte per Inserat eine Haushaltshilfe. Es ist heutzutage entsetzlich teuer, eine Haushaltshilfe zu haben, aber warum sollten wir uns das nicht leisten können?
Sie bekam mich natürlich nicht oft zu sehen, meine Arbeit nahm mich ganz schrecklich in Anspruch, aber es gab eine alte Übereinkunft zwischen mir und Siskan, eine Übereinkunft, über die wir wenig redeten, die aber trotzdem bestand: einander niemals, was auch geschah, mit unseren Sorgen zu behelligen.
Entgegen allem, was man so sagt, ist das eine ganz solide Basis für eine Ehe. Wenn man einander nicht allzu deutlich sieht, kann man es ziemlich lange aushalten.
Ich hatte wirklich eine Menge zu tun. Wir sollten eine Untersuchung über Atomkraftwerke begutachten, und ich hatte nicht genug Experten. Ganz überraschend tauchte eine Geschichte über die Wirkung von giftigem Kinderbrei auf, die sich als reiner Bluff entpuppte. Mit Hilfe einiger amerikanischer Untersuchungen konnten wir beweisen, daß es sich nur um eine Zeitungsente handelte. Die Sache mit den Atomkraftwerken war gravierender, weil es ein heißes Eisen war. Die Zeitungen konnten jederzeit anfangen, sich das Untersuchungsmaterial zu beschaffen, und mindestens sechs Professoren würden warnende Artikel schreiben.
Und dann war da noch der Etat. Ich tat mein Bestes, um zu betonen, daß wir unmöglich weiterkommen und vor allem nicht leistungsfähiger werden könnten, wenn wir nicht Geld für Untersuchungsprojekte bekämen, für richtige, ordentliche große Untersuchungen, Untersuchungen, die vielleicht Jahre in Anspruch nehmen würden.
Gerüchte kamen und gingen. Ich lief in unserem eigenen Ministerium herum und versuchte, hier und da ein Samenkorn zu säen. Es ließ sich gut an, alle waren sehr verständnisvoll, alle waren völlig überzeugt davon, daß unsere Arbeit wichtig sei, aber niemand konnte auch nur das geringste versprechen. Ich hatte das unangenehme Gefühl, mich im dunkeln zu bewegen. Jeden Moment konnte ich in dieser Dunkelheit gegen irgend etwas stoßen.
Dann hagelte es wieder Gerüchte. Gerade als ich herausfand, daß wir niemals vom Fleck kormnen würden, weil das Innenministerium in Wirklichkeit über unseren Etat als Teil seines eigenen entscheiden würde, verlautete plötzlich, daß wir einen ganzen Haufen Geld kriegen sollten. Es hörte sich immer überzeugender an. Ein paar Tage lang atmete ich auf. Ich streckte mich richtig und meinte, die KBU sei auf dem besten Wege, es zu etwas zu bringen.
Dann kamen gegenteilige Gerüchte: Einige Mitarbeiter schnappten sie hier und da auf, alte Kumpel aus verschiedenen Ecken hatten alles mögliche zu berichten.
Es war offensichtlich, daß in unserem Mutterministerium etwas im Gange war. Wir würden nicht die Hälfte von dem bekommen, was wir verlangt hatten, wenn die Gerüchte stimmten.
Für jemand, der ein bißchen Erfahrung in solchen Dingen hatte, war eins ganz klar: Irgend jemand war dabei, uns in aller Stille im Inneministerium schlechtzumachen.
Es war unmöglich zu sagen, wer es war und auf welche Weise er uns schlechtmachte, aber es war ganz offensichtlich, was sich da abspielte.
Ich hatte während meiner Jahre im Ministerium für Raumordnung so etwas oft genug mitbekommen, um zu wissen, daß es völlig zwecklos wäre, zum Minister oder seinen engsten Mitarbeitern zu gehen und darüber zu reden. Es würde nur als Anbiederungsversuch aufgefaßt werden, als einer von all den Kotaus wegen des Etats. Man würde mir höflich, aber bestimmt die Tür weisen und mich auffordern, nicht so ungeduldig zu sein. Es sei ja erst März, man könne sich unmöglich schon zum Etat des nächsten Jahres äußern, es gebe noch keine klare Linie, es sei sicher besser, nach dem Sommer wiederzukommen. Und nach dem Sommer würde es natürlich zu spät sein, um auch nur das geringste zu unternehmen, wenn nicht etwas Unerhörtes passierte.
Unser großes Manko war natürlich unser geheimer Status.
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