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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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Wir hatten keine Möglichkeit, mit Pressekonferenzen an die Öffentlichkeit zu treten, meinungsbildend zu wirken, uns ein markantes Profil zurechtzubasteln.
    Die KBU begann nach einer Falle auszusehen.
    Wittfogel ging mit einer mürrischen Miene herum, wenn er draußen in Stocksund war. Er ließ sich nicht oft sehen. Entweder hatte er angefangen, mir aus dem Weg zu gehen, oder auch war ich derjenige, der ihm aus dem Weg ging. Mitte März hatte er eines Tages offenbar einen Entschluß gefaßt. Er kam gleich nach dem Mittagessen zu mir, unterwegs vom Flughafen Arlanda zu irgendeiner Konferenz in der FOA, die offenbar drei Tage dauern sollte. Sein vergrößertes Auge leuchtete so unheilverkündend wie nie.
    – Wir müssen uns mal darüber aussprechen.
    – Über was denn, sagte ich, um ein bißchen Zeit zu gewinnen.
    – Du weißt genau, wovon ich rede.
    – Die Bewilligung unseres Etats?
    Das Auge wuchs fast zu doppelter Größe.
    – Du mußt doch selber sehen, zum Teufel, daß das hier alles schiefgeht, verdammt schief.
    – Wieso meinst du das?
    – Ich möchte Johansson nicht schlechtmachen. Er ist ein netter Kerl, das habe ich dir schon gesagt, und sogar interessant, wenn er in aller Ruhe seinen Kram machen kann. Aber so kann das nicht weitergehen. Du hast ihn wieder auf diese verdammte Leukämie angesetzt und läßt dich tagelang für seine Värmlandreisen und seine Science-Fiction-Projekte von ihm in Anspruch nehmen, während die ganze Katastrophenplanung für die Atomkraftwerke praktisch stagniert. Laß ihn sich doch zum Teufel mit seinen Känguruhs und Viren beschäftigen, soviel er will, aber mach es nicht zu unserer Sache.
    – Ich habe seine Arbeit ein paar Wochen lang ziemlich intensiv verfolgt. Ich bin nicht der Ansicht, daß er sich mit Lappalien abgibt. Es kann um Menschenleben gehen: Wenn er...
    – Das kann es bei der Kernkraft auch.
    – O.K., aber dann mach doch deine Evakuierungspläne.
    – Es genügt nicht, Pläne zu machen. Wir müssen darüber berichten, natürlich auf einer vernünftigen Ebene, daß wir daran arbeiten.
    – Dann tu das doch.
    Ich war ernstlich wütend auf ihn, weil er sich in meine Kompetenzen einmischen wollte.
    – Jetzt hör mal zu.
    – Ich höre.
    – Man kann das nicht irgendwie beliebig planen. Wir brauchen Unterstützung, von der Gesamtverteidigung, vom Industrieministerium, vom Verband der Provinziallandtage und vom Gemeindeverband. Wir müssen eine ökologische Verteidigungsorganisation aufbauen, bis hinunter auf die kommunale Ebene.
    – Da werden wir uns ja sehr beliebt machen.
    – Nein. Aber wenn wir auf die richtige Weise vorgehen, werden wir unseren Willen durchsetzen.
    – Und dann geht es los mit den Demonstrationen gegen den Ausbau der Kemkraft. Im Stockholmer Ortsverband der Gewerkschaft wird es Stunk geben. Wir werden der ganzen Sache einen Riegel vorschieben...
    – Ganz im Gegenteil. Denn sobald eine solche Organisation besteht, entfällt ein Argument gegen den Ausbau.
    Wir zankten uns noch ziemlich lange herum. Wittfogel meinte, Johansson sei im Grunde ein Wirrkopf. Er sei früher einmal ein guter Ökologe gewesen, bevor er sich total auf diese Geschichte mit den künftigen Naturkatastrophen fixiert habe.
    – Eigentlich wäre ihm nichts lieber, als daß sie passierten. Das würde ihn zu einem großen Mann machen.
    Er hatte früher einmal einen internationalen Ruf, das war in den fünfziger Jahren. Dann kriegte er seine Schrullen und stürzte sich auf seine biologischen Katastrophentheorien. Er schreibt heute nicht mehr in den Fachzeitschriften, vergiß das nicht. Seine Katastrophenartikel werden in Dagens Nyheter veröffentlicht.
    Außerhalb Schwedens gilt er als Nut , vergiß das nicht. Wann hast du zuletzt gesehen, daß er zu einem wirklich internationalen Symposium eingeladen wurde? Die Kollegen lachen sich ins Fäustchen, außerhalb der Expertenkreise hat er einen Namen, weil er in der dn schreibt. So einfach ist das. Laß ihn nur machen. Er ist uns auf vielerlei Weise nützlich. Er hat einen gewissen Einfluß bei der Regierung. Aber laß ihn um Gottes willen nicht die ganze Sache übernehmen.
    – Du mußt mir Zeit lassen, darüber nachzudenken.
    – Gut, aber nicht zu lange.
    Ich überlegte. Das war alles verdammt schwierig, weil mir jegliche Expertenkenntnisse abgingen. Ich rauchte fast zwei ganze Päckchen Zigaretten. Ich trank drei Tassen Kaffee aus der neuen Kaffeemaschine, die die Sekretärinnen jetzt endlich zu bedienen gelernt hatten,

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