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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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Du weißt ganz genau, daß deine Arbeitsergebnisse uns gehören. Du kennst die Spielregeln. Außerdem unterliegst du der Schweigepflicht. Es wäre ein Verstoß gegen das Grundgesetz, unsere Forschungsergebnisse zu veröffentlichen. Du kannst dafür sogar Gefängnis ohne Bewährung kriegen.
    Er sprach sehr langsam und sehr entschlossen.
    – Es gab einmal eine Zeit, da dachte ich, wir könnten Freunde werden. Ich habe große Hoffnungen in dich gesetzt, weil ich glaubte, du verstündest, worum es mir geht. Die Zeiten sind jetzt vorbei.
    Ich habe keine Familie. Ich habe in meinem Leben schon genug Ruhm geerntet. Jetzt bin ich nur noch an einer einzigen Sache interessiert, und zwar, die Natur vor dem Menschen zu schützen, oder vielmehr den Menschen vor dem Menschen zu schützen. Die Erde ist eine Kugel, aber das haben die meisten Leute noch nicht begriffen. Das bedeutet, daß wir in einem begrenzten, geschlossenen System leben. Dieses System vergiftet man uns allmählich – durch tausend und abertausend solcher Sachen macht man es unbewohnbar. Früher oder später passiert dann etwas Endgültiges. Ich glaube nicht, daß diese Leukämie eine besonders große Sache ist, aber wenn ich nicht ihre Wurzeln aufdecke und wenn ich die Leute nicht darauf aufmerksam machen kann, daß so etwas tatsächlich passiert, dann weiß ich, daß auch niemand anders es machen wird.
    – Allright, sagte ich. Auch ich habe geglaubt, daß wir Freunde werden, und ich bedaure, daß es nicht so ist.
    Ich habe keinerlei Schwierigkeiten, dein Denken – oder wie ich es nun nennen soll – zu verstehen.
    Aber über eins mußt du dir im klaren sein: Wenn du das veröffentlichst, verstößt du gegen die Spielregeln. Dann müssen wir gegen dich vorgehen. Du wirst uns all unsere Arbeitsmöglichkeiten verderben. Man wird uns verdächtigen, es wird eine Riesenaffäre geben. Unsere Existenz wird bekannt werden, und das bedeutet, daß wir nicht weiterarbeiten können. Statt mit uns bekommst du es mit einem schwerfälligen staatlichen Amt zu tun. Du gewinnst nichts dabei, verlierst aber jegliches Gehör bei den Behörden. Für uns bedeutet es das Ende einer mühsam aufgebauten Organisation. Was die Umweltprobleme angeht, bedeutet es eine Verzögerung um mehrere Jahre. Wir werden nicht die notwendige Vorsorge für Reaktorunfälle treffen können.
    Entscheide dich, wie du willst, zum Teufel, aber versprich mir wenigstens eins.
    – Was denn?
    – Das du diese Kommission und deine Arbeit darin nicht an die Öffentlichkeit bringen wirst.
    – Ich will es mir überlegen.
    – Tu das. Und noch etwas: Wäre es nicht ganz vernünftig, das Ergebnis dieser Untersuchungen abzuwarten? Du bist kein medizinischer Experte, das hast du selbst gesagt.
    – Ich werde warten, bis ich die Ergebnisse bekommen habe.
    – Ich wäre froh, wenn wir diese Sache auf eine faire Art behandeln könnten, da es nun schon einmal so weit gekommen ist.
    Er gab keine Antwort, aber er lächelte ein wenig. Es war wie ein Schatten unserer alten Freundschaft, und dieses Lächeln rührte mich irgendwie an.
    Danach, als er gegangen war, hatte ich das Gefühl, meine Sache ganz gut gemacht zu haben.
     
    O.K., laß es nur kommen, sagte Hocke Westin, einer von den gescheitesten Leuten in der Kommission.
    Eigentlich war es Wittfogel, der vorgeschlagen hatte, ihn über die Situation zu informieren.
    Er war ein schlanker, rothaariger ernster Mann von etwa zweiunddreißig Jahren mit einer schmalen Goldrandbrille. Ein guter Tennisspieler. Er pflegte einen von diesen modernen Leichtmetallschlägern in seiner schmalen harten Aktentasche mit sich herumzutragen. Ich hatte ihn unter dem beflissenen Jubel der Sekretärinnen im Korridor ausprobiert und mit einem schiefen Aufschlag fast eine der Neonröhren durchlöchert.
    – Laß es nur kommen. Es gibt doch massenhaft Professoren, die über seine Tätigkeit schreiben und darauf hinweisen können, daß er nichts Konkretes vorzuweisen hat. Es wird einer der üblichen Gruselartikel in Dagens Nyheter oder Svenska Dagbladet werden, und dann werden ein paar andere Professoren sagen, erstens sei er eigentlich kein Experte, und zweitens wisse man nichts Genaues.
    – O.K., sagte ich. Das ist nicht das Problem. Schwierig wird es erst, wenn er über uns zu reden anfängt, und schlimmer noch, wenn er sagt, wir seien an dieser Geschichte drangewesen und hätten sie wieder fallenlassen. Dann wird es Anfragen im Reichstag geben.
    – Darauf wird der Minister eben antworten

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