Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)
Spitzenrüschen an Kragen und Ärmeln, Lackschuhe und um die Taille charmante purpurrote Schärpen aus Seidenmoiré. Fast wie junge Prinzen schwangen sie ihre Zeremonienmeisterstäbe aus schwarzem Ebenholz mit ziselierten Silberknäufen. Sie rochen stark nach Pfefferminzplätzchen und Eau Sauvage, und ein geschickter Friseur hatte an ihren Haaren Wunder vollbracht.
Wortlos stellten sie sich in strammer Haltung rechts und links neben der Tür auf.
Der Herr, der jetzt aus der Tür des Aufzugs trat, in einen eleganten Anzug aus erstklassigem englischen Kammgarn gekleidet, war eher klein als hochgewachsen.
Er sah kein bißchen älter aus als Sechzig und bewegte sich mit unbeschreiblicher Würde.
Jede Einzelheit – der viereckige weiße Bart, die stark hervortretenden Backenknochen, die großzügig bemessene Nase – alles stimmte haargenau mit den sechs Porträts überein, die im Schloß Gripsholm aufbewahrt werden.
Ich machte einen ironisch tiefen Diener.
Ohne mich eines Blickes zu würdigen, stolzierte er in mein Wohnzimmer und betrachtete in aller Ruhe die Szene vor dem Fenster. Eine Dampflok mit vielen Güterwagen im Gefolge fuhr gerade über die Eisenbahnbrücke an der Kantstraße. Die Autofahrer hupten da draußen immer noch wie verrückt. Er warf einen Blick auf die Uhr am Turm der Gedächtniskirche und verglich sie umständlich mit seiner eigenen, brillantenbesetzten Taschenuhr, die er aus der Weste hervorzog. Er schüttelte den Kopf. Offenbar stimmten die Zeiten überhaupt nicht überein.
Langsam wandte er sich vom Fenster ab und maß mich mit einem Blick. Die Augen waren wundervoll, tiefblau, leuchtend. Es waren die Augen eines weisen Mannes. Ohne die geringsten Zeremonien begann er zu reden:
– Du Mistkerl! Holzkopf! Stümper! Lügenmaul! Wurde allmählich Zeit, daß ich dich zu fassen kriege, du Blödhammel! Das Weltall – bäh! (Er machte eine unbeschreibliche Grimasse, in der irgendwie etwas von der ganzen bäuerlichen Aufrichtigkeit des Vasageschlechts zum Ausdruck kam.) Und was zum Teufel hast du dir dabei gedacht, mich auf einem Bild in einem Scheißhaus in Ramnäs unterzubringen? Meinst du vielleicht, ich sei eine Klofigur, was?
Junger Mann, es wird Zeit, daß Er sich aufrafft! Die Schlange der Zeit häutet sich, versteht Er das, junger Mann?
Die Schleuse von Färmansbo – richtig, da hat Er’s gehabt, junger Mann, aber dann hat Er’s wieder verloren! Wasser, das fließt, das ist wichtig! Alles ist Wasser, das fließt, schwarze Strudel, Stromschnellen, weißer Schaum an alten Schleusentoren, aber weiterfließen muß es.
Hat Er seine Vorsokratiker parat? Da steht, alles fließe, alles sei Wasser, das weiterströmt, alles sei eine alte Schleuse, mit großen Erlen über dem Wasser und schwarzen Strudeln, in denen die Hechte stehen. Das muß Er doch wohl begreifen, daß das Wasser nicht von ungefähr fließt.
Bäh –
Er streckte die Zunge heraus, in einer unsagbar bäurischen Grimasse. Sie war mittelalterlich und war zugleich fürstlich, sie war von ebenso ursprünglicher Ausdruckskraft wie die Grimasse, mit der diese zu mythologischen Ungeheuern ausgeformten Regenrinnen an gotischen Kathedralen ihre Zungen herausstrecken.
– Eure Majestät, erwiderte ich, Eure Majestät, in Eurer Abwesenheit habe ich mein Bestes getan.
Berlin-Charlottenburg 1973
Austin, Texas, 1974
Väster Våla 1975
Der Tod
eines Bienenzüchters
Roman
Ihr Schweinehunde! Ihr Henkersknechte!
Ihr fürstlichen Foltermeister!
Habt ihr denn nicht begriffen?
Die ihr Zangen im Kohlenfeuer zum Glühen bringt!
Ich bin eigentlich ein Esel!
Mit dem Herzen eines Esels und dem Schrei eines Esels!
Ich gebe niemals auf!
Aus der Lyriksammlung
Warme Zimmer und kalte, 1972
Vorspiel:
An einem Morgen in den Chisosbergen
nimmt der Erzähler Abschied
Das Sonnenlicht hatte die Schlucht noch nicht erreicht. Ein Kaktuszaunkönig weckte mich mit seiner klaren, durchdringenden Stimme. Es war bitter kalt. Ich kroch aus dem Schlafsack, ertastete meine Schuhe in der Dunkelheit und schlüpfte durch das Mückennetz.
Als ich hinauskam, drangen gerade die allerersten, nadelspitzen Sonnenstrahlen über die östlichen Gipfel. Ich blinzelte zur riesigen, wuchtigen Silhouette des Casa Grande hinauf.
Das ungeheure Licht, das sich jetzt über den Kamm tastete, ließ das gewaltige Felsmassiv wie eine düstere Burg erscheinen, von größeren Dimensionen als die, die Menschen bauen, ein Festungswerk für Engel oder
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