Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)
auswendig, er hat mich schon gekannt, als er noch ein Welpe war.
Es gibt nur eine einzige vernünftige Erklärung: Der Hund wird allmählich so alt, daß in den Geruchsempfindungen, die in seinem Gehirn gespeichert sind, irgendwelche subtilen Veränderungen vorgehen. Und dann erkennt er mich ganz einfach nicht mehr.
Zum einen glaube ich, daß er furchtbar schlecht sieht, zum anderen ist das Sehvermögen für ihn überhaupt nicht wichtig.
In einem Winter Anfang der sechziger Jahre lief ich einmal in einer Skispur auf den Hügeln am See Märrsjön entlang. Damals war ich noch Volksschullehrer in der alten Schule von Ennora, bevor sie nach Fagersta verlegt wurde, und konnte nur samstags und sonntags Ski laufen. Es war ein schöner Sonntag im Februar, eine ganze Menge Leute waren in der Spur unterwegs, und als ich über einen Hügelkamm kam, sah ich einen Mann in einem blauen Anorak, der sich nur dreißig Meter vor mir befand.
Der Hund war die ganze Zeit einige Meter vor mir hergelaufen, und er wußte ganz genau, daß dieser Mann da war, schon seit einigen Kilometern war er als Geruchsprofil, als Witterung im Riechzentrum des Hundegehirns registriert.
Nun fährt der Mann, der schon ein wenig älter ist, zur Seite, um irgendwas zu richten oder auch nur um mich vorbeizulassen, da ich so dicht hinter ihm bin.
Hol mich der Teufel, wenn der Hund nicht direkt in ihn hineinläuft, so daß der Mann sich in der Spur fast auf den Hintern gesetzt hätte!
Für den Hund existiert kein blaugekleideter Mann, es gibt nur eine interessante Witterung, der er folgt und die immer stärker wird, und er verläßt sich so blindlings darauf, daß er nicht einmal den Kopf hebt, als er den Mann fast umrennt.
Es hängt bestimmt mit dem Geruchssinn zusammen. Und daran ist nichts zu ändern. Er ist immer ein netter Hund gewesen. Und ich hoffe, daß er noch lange durchhält.
Ich begreife nicht, was in ihn gefahren ist. Es scheint wirklich so, als würde der Hund mich nicht mehr erkennen. Oder richtiger gesagt: Er erkennt mich, aber nur ganz aus der Nähe, wenn ich ihn dazu bringen kann, mich wirklich zu sehen und auf mich zu hören , statt nur nach der Witterung zu gehen.
Es gibt natürlich noch eine andere Erklärung, aber die ist so verrückt, daß ich nicht daran glauben kann.
Daß ich ganz plötzlich einen anderen Geruch bekommen habe, auf irgendeine verdammt subtile Art, die nur der Hund wahrnehmen kann.
(Das gelbe Buch I:2)
Im letzten Herbst hätte eine Menge an den Bienenstöcken getan werden müssen, neues Holzfutter, neue Fluglöcher an einigen davon, Reparatur der Rahmen, Isoliermaterial, aber aus irgendeinem unbegreiflichen Grund habe ich mich nicht dazu aufraffen können. Ich verstehe nicht ganz, wie das kommt. Aus einem unklaren Grund muß ich in diesem Herbst sehr träge und passiv gewesen sein. Gott sei Dank scheint der Winter jetzt, Ende Januar, außergewöhnlich warm zu werden. Es regnet Tag für Tag, und ich bleibe ein bißchen länger als gewöhnlich in der Winterdunkelheit im Bett liegen, einfach weil es schön ist, den Regen aufs Dach fallen zu hören.
Aber angenommen, es wird im Februar über Nacht wieder kalt? Was zum Teufel soll ich dann tun? Die Holzverschalung der Stöcke ist mit Wasser durchtränkt, die Teerpappe auf den Dächern ist an vielen Stellen beschädigt. Sie werden ganz einfach erfrieren. Zur Strafe für meine Faulheit im letzten Herbst werde ich drei, vier Stöcke verlieren.
Finanziell würde das keine Rolle spielen, da ich endlich das Wohngeld von der Gemeinde erhöht bekommen habe, aber dann sterben lebendige Geschöpfe, und das tut mir irgendwie weh.
Eine merkwürdige Sache, über die ich letzte Woche mit Isaksson aus Ramnäs am Telefon sprach:
Wenn ein Bienenvolk stirbt, ist das ungefähr so, als wäre ein Tier gestorben. Man vermißt eine Persönlichkeit, fast wie bei einem Hund oder zumindest wie bei einer Katze.
Eine tote Biene ist einem völlig gleichgültig; man fegt sie einfach weg.
Das Sonderbare ist, daß die Bienen genau die gleiche Einstellung haben. Einen so totalen Mangel an Interesse für den Tod der anderen gibt es nicht bei vielen Tierarten. Zerdrücke ich ein paar Bienen, wenn ich einen Rahmen zu nachlässig einsetze, dann schleppen die anderen sie weg, als handele es sich um irgendwelche kaputten Maschinen. Aber zuerst holen sie sich immer die Pollen, falls welche da sind.
Wenn sie es nun selbst auf die gleiche Art empfinden? Daß es der Schwarm ist, der die
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