Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)
Gewebe.
Die Stimme, die ihr von jetzt an hören werdet, ist seine, nicht meine, und deshalb nehme ich hier von euch Abschied.
Quellenübersicht
1. Das gelbe Notizbuch
Gefunden auf dem Regal über dem Spülstein, unliniert, Format 16 × 6 cm, 80 Blatt, davon 76 voll beschrieben. Gelber Umschlag mit der Aufschrift: REICHSVERBAND DER SCHWEDISCHEN IMKER.
Enthält sehr persönliche und sehr unpersönliche Aufzeichnungen. Zu den letzteren gehören eine Reihe von monatlichen Abrechnungen der Haushaltsausgaben, Anmerkungen und Notizen über verschiedene Vorkehrungen an den Bienenstöcken. Davon konnten natürlich nur einige andeutende Stichproben in diese redigierte Fassung aufgenommen werden.
Begonnen im Februar 1970.
2. Das blaue Notizbuch
Gefunden auf der obersten Buchreihe im Bücherregal. Format A 4, liniert, blauer Umschlag mit dem Aufdruck Buchhandlung Sjöberg Västerås. Enthält 112 Blatt, davon 97 beidseitig benutzt.
Enthält verschiedene eingeklebte Zeitungsausschnitte, Auszüge aus Westins Lektüre und seine eigenen Erzählungen.
Begonnen nicht vor Sommer 1964.
3. Das beschädigte Notizbuch
Sogenannter Telefonblock. Die untere Hälfte des Umschlags ist abgerissen. Aufdruck: WER HAT [ANGERUFEN?] . Gefunden neben dem Telefon auf der Ablage gegenüber dem Spülstein in der Küche. Enthält örtliche Telefonnummern, einige wenige Nummern anderer Ortsnetze und eine kleinere Anzahl von Notizen, die sich auf den Krankheitsverlauf beziehen.
Begonnen nicht vor 1970.
1
Der Brief
...Wind kam auf, ja, es wehte ein ganz warmer Wind. Es war Ende August im vorigen Jahr, der Hund war weggelaufen, er fing damals gerade mit dem Ausreißen an, und ich ging ihn gegen elf Uhr abends suchen. Der Himmel war bedeckt, es war so dunkel, daß man die Baumkronen nicht mehr sehen konnte, aber man hörte den Wind ständig hindurchstreichen. Es war immer derselbe, gleichbleibend starke, eigentümlich warme Wind. Ich erinnere mich, schon einmal etwas Ähnliches erlebt zu haben, aber ich weiß nicht mehr genau, wann.
Als ich auf den Pfad zu den Sundblads kam, der ja am See entlangführt, den Duft des Wassers roch und die Wellen schlagen hörte, ohne sie in der Dunkelheit zu sehen, spürte ich deutlich, wie ein kleiner Frosch über meinen Schuh hüpfte.
Da tat ich etwas, was ich bestimmt seit den fünfziger Jahren nicht mehr gemacht habe. Ich bückte mich rasch und streifte kurz vor der Stelle, wo er sein mußte, mit meinen zur Schale geformten Händen durch das Gras.
Dieser alte Trick funktioniert immer. Er hüpfte mir direkt in die Hände, und ich konnte ihn in der Rechten wie in einem Käfig gefangenhalten, so klein war er.
Einen Augenblick hockte er wie gelähmt da, und ich verschränkte die Hände zu einem größeren Käfig.
Da stand ich nun und horchte auf den Wind, einen Frosch in meinen Händen wie in einem Käfig eingeschlossen, und immer strich derselbe warme Wind unablässig durch die Bäume. Ein säuerlicher Duft kam von den Sümpfen im Uferwald. Ich spürte deutlich, wie der Frosch in meinen Händen zitterte.
Und dann pinkelte er mir plötzlich direkt auf die Hand.
Ich glaube, das ist eine Erfahrung, die nicht viele Menschen gemacht haben.
Die Pisse eines Frosches ist eiskalt. Ich war so überrascht, daß ich die Hände öffnete und ihn davonhüpfen ließ. So stand ich ganz ergriffen da, über mir den Wind, der durch die Baumkronen strich, und die Hand kalt von der Pisse eines Frosches.
Wir fangen noch einmal an. Wir geben nicht auf.
(Das gelbe Buch I:1)
Den Hund fand ich bei den Sundblads. Er war den ganzen Nachmittag über dort gewesen, hatte Pfannkuchen und Wasser bekommen. Das wirklich Peinliche war: Als ich ihn mitnehmen wollte, mochte er überhaupt nicht. Er sträubte sich und stemmte die Pfoten gegen den Flickenteppich in der Küche.
Das war peinlich. Sie hätten ja den Eindruck bekommen können, ich behandelte den Hund so schlecht, daß er es nicht wagte, mit mir nach Hause zu gehen. Aber das stimmt ja gar nicht.
Es ist etwas anderes, und ich begreife einfach nicht, was es sein kann. Es sieht wirklich so aus, als sei der Hund auf eine sonderbare Weise erschreckt worden, und zwar nun schon zum drittenmal innerhalb weniger Wochen. Ich behandle ihn doch genauso, wie ich es seit elf Jahren getan habe. Mag sein, daß ich manchmal ein bißchen kurz angebunden bin, aber erschreckend kann ich dadurch doch auf keinen Fall wirken. Der Hund kennt mich in- und
Weitere Kostenlose Bücher