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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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Herbst 1973 gezwungen, am Krieg gegen die Ägypter teilzunehmen. Er sah die gewaltigen Panzerschlachten, die weißen Blitze aus den klobigen Langrohrgeschützen, er sah zu schwarzen Klumpen verkohlte Menschen am Lenkrad der ausgebrannten Lastwagen sitzen. Er kehrte zurück und schrieb ein Gedicht, das auf hebräisch nur fünf Worte umfaßt:
    » – Was ist das?
    – Das war ein Mensch.«)
    Es gibt Ängste und Ängste. Wenn ein Auto dir mit hoher Geschwindigkeit auf der falschen Fahrbahn entgegenkommt, bewirkt das eine Art von Angst. Wenn deine Frau dir sagt, daß sie dich verlassen will, bewirkt das eine andere, die sich gänzlich von der ersten unterscheidet. Es gibt auch eine Angst, die man Grauen nennt.
    Grauen ist die uralte Angst davor, daß etwas, das nicht lebendig ist oder nicht lebendig sein sollte, es am Ende doch sein könnte. Grauen ist das, was Gespenster uns einjagen.
    Grauen ist die Art von Angst, die wir empfinden, wenn wir uns vorstellen, daß unser eigenes Leben simuliert sein könnte.
    Dieses Grauen empfand sie jetzt: Wer bin ich? Und in das Grauen mischte sich die wildeste Lust: Weit in die Nacht hinaus.
     
    Die Hochhäuser auf der Fischerinsel haben die kompliziertesten Aufzüge von ganz Ostberlin. Sie war schon seit Jahren nicht mehr hiergewesen, all diese Häuser waren ihr völlig neu. Sie mußten irgendwann im Herbst oder Winter 1970–71 gebaut worden sein.
    Sie brauchte eine ganze Weile, um herauszufinden, daß man in diesen neuen Häusern erst auf einen Türschließerknopf drücken muß, bevor der automatische Aufzug in Gang kommt. Das ist eine sehr vernünftige Einrichtung in einem Haus mit vielen Kindern.
    Margret war ihre Kindheitsfreundin. Sie erinnerte sich, wie sie auf den Tanzabenden im Gymnasium gewesen war: Ein sehr blasses Mädchen, immer in etwas zu kurzen, schwarzen Kleidern, mit außergewöhnlich großen blauen Augen. Und jetzt wohnte sie hier.
    Sie hatten ein wenig Kontakt gehalten in all den Jahren. Margret hatte in Ostberlin geheiratet und war schon wieder geschieden.
    Jetzt stand sie in ihrer Wohnungstür und schaute erstaunt den jungen Mann in der Lederjacke an. Plötzlich lächelte sie.
    – Sie sind ein Bruder von G., der Malerin, nicht wahr? sagte sie. Kommen Sie doch herein!
    Sie hatte sich in all den Jahren kaum verändert. Sie war immer noch sehr schön. Die Malerin G. fühlte sich plötzlich sehr ruhig.
    Sie begriff, daß es das war, was sie schon immer gewollt hatte.
    Sie hängte ihre Lederjacke über einen Stuhl und setzte sich. Unter ihrem schwarzen Rollkragenpullover zeichneten sich leicht die kräftigen Schultermuskeln ab.
    Sie war zweifellos ein ziemlich schöner Mann.
    – Darf ich Ihnen vielleicht einen Vodka anbieten, sagte ihre alte Kindheitsfreundin und ließ einen Augenblick lang ihre sehr weiße, gepflegte Hand auf der Stuhllehne hinter G. ruhen.
    Es war eine sehr hübsche, sehr ordentliche Wohnung. Ein Transistorradio stand in einem gläsernen Regal. Bücher drängten sich an den Wänden. Das Radio berichtete von großartigen Produktionssteigerungen in der Fahrradindustrie. Honecker hatte den neuen Schriftstellerkongreß eröffnet. Auf der Uhr war es Viertel nach vier.
    Das sanfte Winterlicht dämmerte allmählich in einen frühen Winterabend hinüber. In den Häusern am Alexanderplatz gingen nach und nach die Lichter an.
    Und siehe da, jetzt fielen die ersten, zögernden Schneeflocken des Winters 1973 auf die Deutsche Demokratische Republik.
    Das ist es, was ich gewollt habe. Das ist es, was ich schon immer gewollt habe, sagte sich die Malerin G.:
     
    EINE SPIEGELWELT
     
    EINE SPIEGELWELT, UM ZU ERKENNEN, WAS EIN MENSCH IST
     
    – Danke, ich nehme gern ein Glas, sagte sie.
    Immer wärmer, immer freundlicher erschien ihr das Licht hinter den Gardinen, die ihre Kindheitsfreundin jetzt zuzog, eine nach der anderen.

Die Rückkehr des Königs
     
    NEIN, ICH MACHE NICHT AUF, WENN ES AN DER TÜR KLINGELT
     
    sagte ich vor mich hin und fuhr fort, in meiner Küche in der Kantstraße die seit drei Tagen ungespülten Teller von alten Eiresten zu säubern. Mit diesen Matrosen will ich nichts mehr zu tun haben. Es wäre kleinbürgerliche Sentimentalität, zu glauben, die Welt würde besser, wenn sie ein paar Mark für Bier bekommen. Sie würden sich ja doch nur kaputtsaufen.
    Jetzt klingelte es zum dritten Mal. Und da ich nicht daran dachte aufzumachen, begann ein heftiges Klappern am Briefkastenschlitz.
    Ich ging in die Diele hinaus und schwang drohend das

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